CVP-Chef Darbellay über Schiessen, Papi-Ferien und den Krach im bürgerlichen Lager
«Wenn Toni Brunner spricht, setze ich den Ohrschutz auf»

Der gross angekündigte bürgerliche Schulterschluss zur Session scheiterte. CVP-Chef Christophe Darbellay über seine Beziehung zur SVP und dessen Präsidenten Toni Brunner.
Publiziert: 28.06.2015 um 12:40 Uhr
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Aktualisiert: 14.10.2018 um 02:56 Uhr
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Der Präsident des Eidgenössischen Schützenfestes: Christophe Darbellay (44) am Donnerstagnachmittag in Raron VS.
Foto: Thomas Andenmatten
Von Joël Widmer und Marcel Odermatt

Mehr als 40'000 Schiessbegeisterte aus der ganzen Schweiz messen sich diese Wochen in Raron VS am Eidgenössischen Schützenfest. Die Stimmung ist friedlich, das Knallen ohrenbetäubend. Mitten im Getümmel: CVP-Chef Christophe Darbellay (44). Der Walliser Nationalrat präsidiert den Anlass, der alle fünf Jahre stattfindet.

Herr Darbellay, wie viele Punkte haben Sie hier am Schützenfest geschossen?
Christophe Darbellay:
Nicht viele. Ich werde nie Schützenkönig. Nur als Jäger treffe ich meistens.

Was sagt Ihre Frau zur Ihrem Engagement?
Meine Frau schiesst selber gerne. Wenn sie trainieren würde, wäre sie schnell besser als ich.

Apropos Schiessen. Im Moment zielt SVP-Chef Toni Brunner auf Sie. Sie seien schuld, dass der bürgerliche Schulterschluss scheiterte: Er behauptet, Sie kümmerten sich um Handy-Bilder, statt um Politik.
Ich habe hier einen Ohrenschutz. Den brauche ich nur am Schützenfest oder wenn Toni Brunner spricht. Er hat extrem viel Glaubwürdigkeit verspielt. Einen politischen Partner stelle ich mir anders vor. Er will nur vom Desaster um die Armeereform und der Masseneinwanderungs-Initiative ablenken. Die SVP hat, zusammen mit den Linken, die Armeereform versenkt und setzt unsere Sicherheit aufs Spiel. Gleichzeitig bricht sie ihre eigenen Sparversprechen. Das alles ist fatal für unser Land und unsere Wirtschaft.

Was hat Sie daran so aufgeregt?
Es ist ein Ablenkungsmanöver und er verliert das Ziel aus den Augen. Ich dachte, es gehe darum, den Wirtschaftsstandort Schweiz zu stärken. Da gibt es unzählige Massnahmen, viele wurden realisiert oder sind gut aufgegleist. Ihm geht es nicht mehr um die Sache. Seiner Diktatur werden wir uns nie unterstellen.

Warum sind Sie denn überhaupt auf einen Pakt mit der SVP eingestiegen?
Bürgerliche Zusammenarbeit wäre wichtig – gegen den starken Schweizer Franken oder bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative: Wir brauchen gute Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort. Von dem vierseitigen gemeinsamen Papier haben wir viel erreicht: Bei Unternehmenssteuerreform, Aktienrechtsrevision, Bürokratieabbau oder Innovationsförderung ist alles auf Kurs; einzig beim Budget wurde die Latte etwas zu hoch angesetzt. Der Bundesrat will nun immerhin den aktuellen Haushalt 2016 auf dem Niveau von 2015 halten. Aber Brunner ist an seriöser Arbeit gar nicht interessiert. Er will sich als bester Bodybuilder des bürgerlichen Lagers profilieren – nur: Muskeln sind nicht gleich Hirn.

Warum können Sie es nicht mit Brunner?
Wenn er FDP-Chef Philipp Müller oder mich persönlich trifft, ist er sehr freundlich. Sobald er aber ein Mikrofon unter der Nase hat, rastet er aus. Die CVP ist eine wirtschaftsfreundliche Kraft, wir setzen uns für Arbeitsplätze ein. Und gemäss Swiss Economic Forum sind CVP und FDP im Kampf gegen die Bürokratisierung top. Die SVP ist in dieser Sache ein Flop.

Die SVP will den zweiten Bundesratssitz. Darauf haben auch Sie rechnerisch ein Anrecht, oder?
Die Konkordanz hat einen arithmetischen, aber auch einen inhaltlichen Aspekt. Die SVP will mit den Linken die Armee abschaffen und torpediert den bilateralen Weg, von dem ein Drittel der Arbeitsplätze abhängig sind – die SVP ist auf einem radikalen Kurs, also nicht in der Lage, Verantwortung als Regierungspartei zu übernehmen. Zudem behandelt sie ihren eigenen Bundesrat Ueli Maurer schlechter als damals Samuel Schmid, den sogenannten «halben Bundesrat».

Die Alternative zum zweiten SVP-Bundesrat ist der Status quo: Wenn die Kleinpartei BDP bei den Wahlen verliert, steht die Legitimierung von Eveline Widmer-Schlumpf auf schwachen Füssen.
Amtierende Bundesrätinnen, die ihre Arbeit korrekt machen, sollte man wiederwählen.

Sie drohen als Verlierer-Präsident in die Geschichte der Christdemokraten einzugehen.
In der aktuellen Umfrage bin ich erneut der glaubwürdigste Parteipräsident und habe von allen die höchste Medienpräsenz. In den kantonalen Wahlen 2015, ist es uns – ausser im Tessin und entgegen den Umfragen – recht gut gegangen. In Genf haben wir beispielsweise ein historisches Resultat erzielt.

Wegen der Amtszeitbeschränkung im Wallis dürfen Sie selbst im Herbst nicht mehr antreten. Bei den Bundesratswahlen im Dezember sitzen Sie gar nicht mehr im Rat. Ist das ein Nachteil?
Nein. Ich kann zwar nicht mehr wählen. Trotzdem werde ich als Parteipräsident vor Ort sein und die Bundesratswahlen vorbereiten und mitbeeinflussen.

Möchten Sie selber eines Tages Doris Leuthard beerben?
Ich lasse alle Optionen offen – auch eine Bundesratskandidatur. Aber zuerst konzentriere ich mich aufs Wallis. 2017 möchte ich gerne Staatsrat werden. Das ist meine oberste Priorität.

Aussenminister Didier Burkhalter setzt auf einen neuen EU-Unterhändler, der für alle Dossiers zuständig sein soll. Ein cleverer Schachzug?
Bisher ist der Aussenminister kläglich gescheitert. Bei den Verhandlungen über die bilateralen Verträge  stehen wir vor einem Scherbenhaufen. Möglicherweise schaffen wir mit einer Verbindung der Dossiers mehr Spielraum.

Was schlagen Sie vor?
Das Problem der Personenfreizügigkeit ist nicht lösbar. Die CVP will die Bilateralen in der Verfassung verankern. Zum Schutze unserer Arbeitsplätze. Dafür braucht es eine Abstimmung: Sie ist nur zu gewinnen, wenn die Regierung und Wirtschaft wieder Vertrauen schaffen. Es braucht endlich Taten, um mehr Inländer in den Arbeitsprozess zu integrieren.

Wie halten Sie es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Ihre Frau ist Juristin – wie organisieren Sie sich?
Sie arbeitet zweieinhalb Tage in der Woche. Die Kinder besuchen an zwei Tagen eine Kindertagesstätte. Welche Probleme es da geben kann, spürte ich kürzlich ganz persönlich.

Warum?
In der Tagesstätte hat es zu wenig Platz für unseren ältesten Sohn Alex. Ich habe dann beim Gemeindepräsidenten interveniert. Vor wenigen Tagen fanden wir eine Lösung: In einem zusätzlichen Raum können alle Kinder betreut werden.

Ihr Nationalratskollege Martin Candinas fordert einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub. Kann er mit Ihrer Unterstützung rechnen?Ja, ich befürworte den Vaterschaftsurlaub. Viele Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen.

Trotz zusätzlicher Kosten?
Dieses Geld ist gut investiert. Kinder sind die Zukunft des Landes. Sonst gibt es nur mehr Zuwanderung.

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