Knapp zwei Wochen vor der Abstimmung über die SVP-Selbstbestimmungs-Initiative, die auch gegen die EU gerichtet ist, misst das aktuelle Credit-Suisse-Europa-Barometer nochmals die Temperatur in der Schweiz. Und die schlägt hoch aus in Richtung Bilaterale und stabile Beziehungen mit der EU!
Das war nicht unbedingt zu erwarten. Flüchtlingskrise, ökonomische Instabilität einzelner EU-Staaten, Diskussion um schärfere Waffen-Richtlinien und «fremde Richter»: Die Vorkommnisse der jüngsten Zeit werden für die Union auch in der Schweiz zunehmend zum Imageproblem. Gemäss der Barometer-Umfrage steht die EU denn auch schwächer da als vor einem Jahr. Aber: Die meisten der Stimmberechtigten erwarten bald eine Verbesserung des Verhältnisses.
Bilaterale finden mehr Fans in der Schweiz
Die Befragung wurde vom Forschungsinstitut gfs.bern durchgeführt und am heute stattfindenden Europa Forum Luzern präsentiert. Sie zeigt sehr klare Resultate. So gehen trotz schleppender Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz 47 Prozent der Stimmberechtigten davon aus, dass man sich wieder findet und die Situation sich bald bessert.
Eine grosse Mehrheit von 82 Prozent halten die Bilateralen für «sehr wichtig» oder «eher wichtig». Für 65 Prozent der Befragten haben die Fortsetzung der bilateralen Verträge – sie wären durch eine Kündigung der Personenfreizügigkeit gefährdet – erste Priorität. Zum Vergleich: 2017 sahen dies nur 48 Prozent der Befragten so.
Auch SVP-Wähler stehen hinter Bilateralen
Zugleich möchten aktuell nur gerade 13 Prozent das Vertragswerk unbedingt kündigen, was einer Abnahme von 8 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr entspricht.
Laut Lukas Golder, Co-Leiter von gfs.bern, sind sich die Stimmberechtigten interessanterweise auch über alle Parteigrenzen hinweg über die Bedeutung der Bilateralen einig: «Auch bei den Wählenden der SVP ist eine solide Mehrheit von 77 Prozent der Meinung, die bilateralen Verträge mit der EU seien wichtig.» Nur 7 Prozent der SVPler halten sie für «sehr unwichtig».
Stockt der Handel mit der EU, hoffen viele auf USA und China
Sollte sich das Verhältnis zur EU jedoch verschlechtern und damit die Handelsbeziehungen, sähen viele Befragte nicht einfach schwarz. 16 Prozent gehen davon aus, dass eine Verstärkung des Handels mit Drittstaaten wie den USA oder China die Verluste aus dem EU-Geschäft decken könnten. Weitere 38 Prozent stimmen dieser Einschätzung eher zu. In den Augen der Studienautoren ist das «kein gutes Zeichen» für den Stellenwert der EU in der Schweiz.
Heute Abend, am Europa Forum Luzern, dürften die Teilergebnisse des Sorgenbarometers 2018, das am 6. Dezember erscheint, für Diskussionsstoff sorgen. Der Anlass fördert seit Jahren den unabhängigen Dialog zu Europa. Ab diesem Jahr findet er neu in Kooperation mit dem Medienhaus Ringier Axel Springer Schweiz AG statt.