Der Energiekonzern Alpiq, Hauptbesitzer der beiden Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt, will sich vor den immensen Kosten der Ausserbetriebnahme seiner Kernkraftwerke drücken. Mit einem Trick versuchen die Aktionäre die geltenden Regeln zur Stilllegung und Entsorgung von Atomkraftwerken in der Schweiz zu umgehen.
Eigentlich wäre der Fall klar: Energiekonzerne, die AKW besitzen, müssen jährlich Millionen in die Stilllegungs- und Entsorgungsfonds (Stenfo) zahlen. Damit sollen der Rückbau der Atommeiler und die Entsorgung des Mülls finanziert werden.
Auslagerung an Steuerzahler
Doch wenn das Geld in den Fonds dereinst nicht reicht, stellt sich die Frage, wer die Kosten trägt. Bei der Alpiq wollen die neuen Grossaktionäre nun sicherstellen, dass ihr Unternehmen es nicht ist. Das zeigt sich im Angebot der Anlagestiftung der Credit Suisse (CSA), die im grossen Stil Alpiq-Aktien übernehmen will. «Die Aktivitäten im Bereich Nuklearenergie sollen in einer Gesellschaft isoliert werden», schreibt die CSA im Übernahmeangebot, wie jüngst die «Finanz und Wirtschaft» berichtete.
Das könnte den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Für SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (59) ist klar, dass die CSA mit dieser Isolation, einem sogenannten Ring-Fencing, das Risiko für Nachschusszahlungen abwälzen will: «Die Atomkonzerne wollen den Steuerzahler für ihre Fehlinvestitionen zur Kasse bitten.»
Nutzen wollen sie einen rechtlichen Kniff. Denn eigentlich betreibt die Alpiq ihre beiden Atomkraftwerke nicht selbst, sondern das tun eigene Betreiberfirmen. Beim AKW Gösgen ist dies beispielsweise die Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG, an der die Alpiq 40 Prozent hält.
Hohes Risiko für Steuerzahler
Die Betreiberfirmen haben aber vergleichsweise wenig Geld. Im Fall der Gösgen-Däniken AG sind es 350 Millionen Franken Aktienkapital. Nichts, wenn man bedenkt, dass Stilllegung und Entsorgung der fünf Schweizer AKW gemäss heutigen Schätzungen 24,6 Milliarden Franken kosten werden. Und im Stenfo befanden sich Ende 2017 nur 7,7 Milliarden Franken.
Können aber weder die Betreiberfirmen noch die Besitzer dieser Firmen wie die Alpiq die Nachschüsse bezahlen, haften zunächst die anderen AKW-Betreiber solidarisch, dann aber Bund und Kantone – also der Steuerzahler. Das Risiko sei gross, dass die Kosten am Schluss an der öffentlichen Hand hängen bleiben, warnte die Eidgenössische Finanzkontrolle bereits 2014.
Den Aktionären verpflichtet
Die Alpiq verspricht jedoch, sie nehme ihre Verantwortung wahr. Ihre Hauptaktionäre äussern sich nicht dazu, wie das Ring-Fencing konkret geplant ist. «Strategische Entscheidungen werden wie gewohnt durch den Verwaltungsrat getroffen», so Jürg Stähelin, der die Alpiq-Kernaktionäre vertritt – CSA, Primo Energie und EOS Holding. Die CSA sei gegenüber ihren Anlegern, 130 Pensionskassen, verpflichtet, sich «aus Risikoüberlegungen» nur indirekt an Kernkraftwerken zu beteiligen.
Doch nicht nur Energiekonzerne haben in Atomkraftwerke investiert. Zum Beispiel ist auch die Stadt Zürich mit 15 Prozent an Gösgen beteiligt. Städte können sich aber nicht durch ein Ring-Fencing befreien. Sie müssten bezahlen. Eine weitere Gefahr für das Portemonnaie der Steuerzahler.
«Kosten sorgfältig berechnet»
Das Bundesamt für Energie beschwichtigt. Die Gefahr sei klein, dass der Steuerzahler dereinst einspringen muss. «Die Kosten für den Atomausstieg wurden sorgfältig berechnet», sagt Sprecherin Marianne Zünd. Solange die Kernkraftwerke laufen, seien die Einnahmen in die Fonds garantiert.
Der erfahrene Energiepolitiker Nussbaumer zweifelt. «Wenn die Investoren sagen, dass sie solche Tricks probieren, ist es ein deutliches Zeichen dafür, dass andere AKW-Eigentümer folgen werden», warnt er. Dem will der SP-Nationalrat einen Riegel schieben: Er verlangt per Vorstoss in der laufenden Herbstsession eine Garantie, dass sich die Energiekonzerne nicht aus ihrer gesetzlich festgelegten Verantwortung stehlen können. «Auch die Aktionäre der Alpiq müssen für die Nachschusspflicht geradestehen», sagt er. Diese Sicherheit gibt es bis heute aber nicht.