Coronavirus - Schweiz
Ständerat will Macht des Bundesrats in Pandemien nicht einschränken

Der Ständerat will die Befugnisse des Bundesrats im Falle einer Pandemie oder Epidemie nicht beschneiden. Er hat am Montag zwei entsprechende Motionen aus den Reihen der SVP abgelehnt.
Publiziert: 31.05.2022 um 06:52 Uhr
Eine geschlossene Bar in der Steinenvorstadt in Basel Ende März 2020. (Archivbild)
Foto: GEORGIOS KEFALAS

Der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann verlangte eine Anpassung des Epidemiengesetzes. Er wollte, dass die Landesregierung das Parlament künftig bei der Anordnung der ausserordentlichen Lage mit einbeziehen muss. In Fällen, in denen die Landesregierung die ausserordentliche Lage aus zeitlichen Gründen sofort anordnen muss, hätte sie dies gemäss dem Vorstoss nachträglich bewilligen lassen müssen.

Die kleine Kammer verwarf Salzmanns Motion mit 26 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung. Sie folgte damit dem Antrag der Mehrheit der Staatspolitischen Kommission des Ständerats (SPK-S) und der Empfehlung des Bundesrats.

Ebenfalls abgelehnt wurde eine Motion des Thurgauer SVP-Ständerats Jakob Stark. Dieser wollte, dass die Landesregierung Massnahmen zur Pandemiebekämpfung bei Dringlichkeit nachträglich zur Genehmigung vorlegen muss. In nicht dringlichen Fällen sah Starks Motion vor, dass der Bundesrat dem Parlament die Beschlussanträge unterbreitet. Der Ständerat verwarf den Vorstoss mit 35 zu sieben Stimmen bei drei Enthaltungen. Die beiden Motionen sind damit vom Tisch.

Salzmann begründete seinen Vorstoss insbesondere damit, dass die Ereignisse des Jahres 2020 gezeigt hätten, wie gravierend sich die ausserordentliche Lage auf die Wirtschaft, die persönliche Freiheit und die psychische Gesundheit der Menschen auswirke. «Wir standen damals machtlos daneben», so Salzmann. Das Parlament stehe in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen.

Unterstützung erhielt Salzmann von Daniel Fässler (Mitte/AI). Lehne man die Motion seines Berner Ratskollegen ab, sende man das falsche Signal. Im internationalen Vergleich sei die Machtkonzentration bei der Regierung in der Schweiz in Krisenlagen bei heutiger Rechtslage gross, sagte auch Heidi Z'graggen (Mitte/UR). Es gehe nun darum, einen ersten Pflock einzuschlagen, um das Parlaments zu stärken.

Die heutige Rechtslage habe dazu geführt, dass die Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie der parlamentarischen Diskussion weitgehend entzogen worden seien, monierte Stark in der Debatte. Dies schade dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Statt im Parlament sei zu Beginn der Pandemie in den klassischen und sozialen Medien diskutiert worden. Diese «staatsrechtliche Notlage» habe ihn sehr beschäftigt.

Zudem sei es frustrierend, über Corona-Hilfsmassnahmen in Milliardenhöhe entscheiden zu müssen, die durch Entscheide nötig geworden seien, die der Bundesrat in Eigenregie beschlossen habe, so Stark. Er wolle, dass das Parlament bei künftigen Pandemie-Beschlüssen in allen Fällen das letzte Wort habe.

Der Bundesrat wandte dagegen ein, die Kompetenzen der Landesregierung seien durch die entsprechende Delegationsnorm im Epidemiengesetz demokratisch legitimiert. Zunächst brauche es eine Evaluation der Ereignisse während der Pandemie, sagte Gesundheitsminister Alain Berset.

Berset betonte aber, das Thema sei wichtig und müsse angegangen werden. Zugleich übte er indirekt Kritik am Parlament. Der Abbruch der Frühjahrssession 2020 sei für die Landesregierung «nicht angenehm» gewesen. Es stellten sich schwierige Fragen, so Berset - etwa im Hinblick auf das Schweizer Zweikammersystem und die Notwendigkeit, Differenzbereinigungsverfahren durchzuführen.

Auch die Mehrheit der SPK-S bezweifelte die Krisentauglichkeit der von Salzmann und Stark verlangten Neuregelungen. Diese würden die Verantwortlichkeiten vermischen, sagte Kommissionssprecher Andrea Caroni (FDP/AR). Zudem sei es nicht sinnvoll, einseitig auf Änderungen des Epidemiengesetzes abzuzielen, Notlagen, die nichts mit Gesundheitsgefahren zu tun hätten, aber ausser acht zu lassen.

Hans Stöckli (SP/BE) vertrat die Ansicht, dass die nachträgliche Genehmigung bundesrätlicher Beschlüsse nicht der richtige Weg sei. Den grundsätzlichen Handlungsbedarf bestritt Stöckli nicht. Eigentlich müsse es jedoch darum gehen, dass das Parlament sein eigenes Recht setze.

Wie die Landesregierung verwies die Gegnerseite zudem darauf, dass bereits Bestrebungen im Gang seien, die Anliegen der Motionäre aufzunehmen. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) hat zur Stärkung des Parlaments in Krisenlagen eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Als Erstrat hatte der Nationalrat in der Frühjahrssession drei Vorlagen gutgeheissen, die dem Bundesparlament künftig in Krisenlagen mehr Einfluss verschaffen sollen. Unter anderem sollen die Räte künftig virtuell tagen können und schnellere Motionen möglich werden. Die Debatte dazu im Ständerat steht noch aus.

Hintergrund der Diskussion sind die Ereignisse zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühling 2020. Damals war die Frühjahrssession des Bundesparlaments abgebrochen worden, die Tätigkeit der Kommissionen wurde vorübergehend eingeschränkt.

(SDA)

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