Es war der erste Auftritt von Anne Lévy (48) als neue Chefin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) – und er war nicht leicht. Die Corona-Fallzahlen sind in den letzten Tagen sprunghaft gestiegen: Heute verzeichnete das BAG mit 1487 neuen Fälle innert 24 Stunden einen neuen Rekordwert. Die Positivitätsrate, die den Anteil positiver Tests wiedergibt, liegt ebenfalls bei hohen 9,8 Prozent.
Das BAG erwartet in den nächsten Wochen vermehrt schwere Krankheitsfälle, die im Spital behandelt werden müssen: «Die Hospitalisationen sind immer verzögert», erklärte Virginie Masserey vom BAG vor den Medien. «Wir erwarten hier einen Anstieg und sehen diesen bereits in der Romandie.»
Kantone im «Lead»
Und was tut die Schweiz? Der «Lead» sei bei den Kantonen, meinte BAG-Chefin Lévy – und verwies auf die nationale Kampagne des BAG, die neuerdings in Orange daherkommt, um der Bevölkerung den Ernst der Lage in Erinnerung zu rufen.
Es stehe noch nicht fest, ob der Bund wieder strengere Massnahmen ergreifen werde, ergänzte Masseray. Es gehe aber darum, einen zweiten Lockdown mit aller Kraft zu verhindern.
Testen – aber wie?
Ein wichtiges Instrument dafür sind die Covid-Tests. Der Bund hat die grosse Testoffensive ausgerufen – 40'000 Tests pro Tag strebt das BAG an. Doch bereits jetzt warnen diverse Labors und Spitäler davor, dass das Testmaterial knapp wird.
«Wir haben genügend Corona-Tests an Lager», betonte hingegen Lévy. Der Bund klärt derzeit ab, ob die Covid-Tests auch in der Schweiz produziert werden könnten. Man sei im Gespräch mit verschiedenen Herstellern, betonte Lévy. «Aber die Produktion tönt viel einfacher als sie tatsächlich ist.»
Das Referenzlabor in Genf evaluiert zudem verschiedene Schnelltests. Wichtig festzuhalten sei, dass es sich bei den Schnelltests nicht um Selbsttests handle, sondern dass nach wie vor eine Gesundheitsfachperson einen Nasen-Rachen-Abstrich machen müsse, erklärte Lévy. «Das Schnelle an den Tests ist, dass sie schnell ein Resultat liefern.»
Impfstoff in Aussicht
Der Bund bemüht sich zudem bereits seit Längerem um einen Impfstoff. Derzeit kommen zehn Impfstoffe, die in der Entwicklung sind, infrage. So hat die Schweiz etwa mit dem Biotechunternehmen Moderna einen Vertrag unterzeichnet. Bei der internationalen Initiative Covax hat die Schweiz zudem für 20 Prozent der Bevölkerung Impfstoff vorbestellt.
Es werde jedoch keinen Impfzwang geben, sagte Masserey. «Jeder und jede soll selbst entscheiden, ob er oder sie geimpft werden will.»
Kürzere Quarantäne unwahrscheinlich
Einen schweren Stand dürften derzeit die Forderungen nach einer Verkürzung der Quarantäne-Zeit haben. Der deutsche Epidemiologe Christian Drosten (48) hatte eine fünf- statt zehntägige Quarantäne erstmals ins Spiel gebracht.
«Der Moment ist wohl nicht sehr geeignet, um jetzt die Massnahmen herunterzufahren und neue Risiken einzugehen», erklärte Masseray mit Verweis auf die steigenden Zahlen. Sie wolle jedoch nichts ausschliessen: «Wir evaluieren auch das.»
(til)
PK BAG vom 09.10.20