Es tönt nach dem einfachsten Weg für ein gutes Klimagewissen: CO2-Kompensation. Der moderne Ablasshandel ist mittlerweile ein bei Firmen und Privatpersonen beliebtes Instrument im Kampf gegen den Klimawandel. BLICK beantwortet dazu die wichtigsten Fragen.
Wie viel CO2 produziert ein Schweizer?
Es ist schlicht unvermeidlich: Jeder Mensch produziert direkt oder indirekt CO2. Wenn er atmet, Auto fährt oder in die Ferien fliegt. Aber auch mit konsumierten Waren, die produziert und transportiert werden müssen. 2016 verzeichnete die Schweiz 48,3 Millionen Tonnen an Treibhausgas-Emissionen. Pro Kopf beträgt der Treibhausgas-Ausstoss 5,8 Tonnen jährlich – davon 4,7 Tonnen CO2! Rechnet man die Immissionen der im Ausland produzierten Importgüter hinzu, sind es sogar mehr als doppelt so viel.
Was versteht man unter CO2-Kompensation?
Im Grunde ist die Rechnung einfach: Kann oder will man den CO2-Ausstoss nicht selber reduzieren, so bezahlt man jemand anderen für diese Aufgabe. «Emissionen, die aus politischen, technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht an einem bestimmten Ort oder innerhalb eines bestimmten Wirtschaftssektors vermieden werden können, werden anderswo auf der Welt oder in einem anderen Sektor reduziert», erklärt Reto Burkard (48), Leiter Sektion Klimapolitik beim Bundesamt für Umwelt (Bafu).
Wer ist zur CO2-Kompensation verpflichtet?
Eine gesetzliche Pflicht zur CO2-Kompensation gilt in der Schweiz für zwei Bereiche: die Treibstoff-Importeure sowie die Betreiber von fossil-thermischen Kraftwerken – wobei es bis heute kein solches Kraftwerk gibt, da die Pläne dazu versandet sind.
Bei den Treibstoffen hingegen gilt: 2020 müssen 10 Prozent des CO2-Ausstosses über inländische Klimaschutzprojekte kompensiert werden. Das macht dannzumal rund 1,5 Millionen Tonnen CO2 aus. Der Anteil steigt seit 2014 (2 Prozent) und beträgt aktuell 8 Prozent. Finanziert wird dies über einen Kompensationszuschlag auf dem Treibstoffpreis – aktuell liegt dieser laut Bafu bei rund 1,5 Rappen pro Liter.
Mit dem neuen CO2-Gesetz will der Bundesrat den Anteil steigern. Der Kompensationssatz soll je nach Entwicklung zwischen 15 bis 90 Prozent betragen – wobei mindestens 15 Prozent im Inland kompensiert werden müssten, der Rest im Ausland.
Wie funktioniert die freiwillige Kompensation?
Privatpersonen, Organisationen, Unternehmen – die Möglichkeit zur CO2-Kompensation auf freiwilliger Basis wird von vielen genutzt. Es gibt zahlreiche Anbieter, die für Kompensationsprojekte werben.
Zu den grössten Anbietern in der Schweiz gehört die Stiftung Myclimate. Diese arbeitet etwa mit Coop und Migros bei Klimaschutzprojekten zusammen. Auch Private können ihren CO2-Ausstoss berechnen und entsprechend für Kompensationsprojekte spenden: Ein Ferienflug nach New York und retour zum Beispiel verursacht 2,3 Tonnen CO2 pro Economy-Passagier – und lässt sich für 67 Franken kompensieren.
Investiert wird etwa in effizientere Kochstellen in Kenya, damit weniger Feuerholz verbraucht wird. Oder in die Wiederaufforstung in Nicaragua. Oder in ein Solarkraftwerk in der Dominikanischen Republik, welches ein fossiles Kraftwerk ersetzt.
Was kostet die Kompensation?
Wie teuer die Kompensation einer Tonne CO2 ist, hängt vom konkreten Projekt ab. Auslandsprojekte sind meist deutlich günstiger: Das Beispiel des New-York-Flugs schlägt bei Myclimate mit minimal 67 Franken zu Buche – für Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern. «Der Standardpreis für eine Privatperson beträgt bei uns 28 Franken pro Tonne CO2», erklärt Myclimate-Sprecher Kai Landwehr (43).
Bei der Treibstoff-Kompensation «liegt der Durchschnittspreis bei etwa 100 bis 110 Franken pro Tonne CO2», so Bafu-Experte Burkard.
Macht die CO2-Kompensation überhaupt Sinn?
Die CO2-Kompensation macht dann Sinn, wenn damit unter dem Strich eine CO2-Reduktion resultiert. Entscheidend ist also, dass der Ferienflug mit einem Einsparprojekt ausgeglichen wird.
Das verspricht etwa Myclimate. «Seit ihrem Bestehen 2002 hat Myclimate über 100 Millionen Franken in den Klimaschutz investiert und seither über 6 Millionen Tonnen CO2 kompensiert», sagt Sprecher Kai Landwehr. Im Jahr 2017 verzeichnete die Stiftung mit 832'750 Tonnen ein Rekordjahr. Für 2018 liegen die definitiven Zahlen zwar noch nicht vor, «der Rekord wird aber deutlich getoppt», so Landwehr.
Rechnet man die Zahlen für die gesetzliche Treibstoff-Kompensation dazu, kommt man auf über 2 Millionen Tonnen. Das sind nur gut 4 Prozent des schweizerischen CO2-Ausstosses. Das Instrument hat also noch viel Potenzial nach oben.
Was sagen die Kritiker?
Die Umweltschutzorganisation WWF unterstützt zwar die Idee der CO2-Kompensation, bringt aber Bedenken an. «Anstatt CO2 zu kompensieren, sollte der CO2-Ausstoss von Beginn weg vermieden werden», sagt WWF-Mann Patrick Hofstetter (53). Denn: «Mit der CO2-Kompensation verhindert man im besten Fall eine Verschlechterung, es gibt aber keine Verbesserung der CO2-Bilanz.»
Hinzu kommt der psychologische Effekt, dass die Kompensationsmöglichkeit das grüne Gewissen beruhigt. «Schlimmstenfalls nimmt der CO2-Ausstoss dadurch noch zu, weil ohne Gewissensbisse noch öfter geflogen wird», so Hofstetter. «Die Kompensationsidee würde besser funktionieren, wenn man seinen CO2-Ausstoss doppelt oder gar dreifach kompensieren müsste.»