Clown-Legende Dimitri macht vier Wochen vor der Abstimmung zur 2. Gotthard-Röhre einen U-Turn
«Auch mit 80 kann man noch lernen»

Erst ja, jetzt nein: Clown-Legende Dimitri (80) wechselt vier Wochen vor der Abstimmung zur 2. Gotthard-Röhre die Spur. «Ich sage mit meinem bescheidenen Clown-Hirn: Bei einem Nein kann man in aller Ruhe Alternativen prüfen.»
Publiziert: 31.01.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:56 Uhr
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Clown-Legende Dimitri (80)
Philippe Pfister

Es war eine Nachricht, bei der sich nicht nur eingefleischte Linke die Augen rieben: «Clown Dimitri kämpft für zweite Gotthard-Röhre», lautete die Meldung vor ein paar Wochen. Für die Befürworter der Gotthard-Vorlage, die am 28. Februar an die Urne kommt, war es eine höchst willkommene Schlagzeile. Sogar Verkehrsministerin Doris Leuthard (50) nahm sie begeistert auf. Dimitri gehöre eben nicht zu jenen, die ausblendeten, wie der Verkehr während der Sanierung des Tunnels zu bewältigen sei, gab sie in einem Interview zu Protokoll. Deshalb sei auch ­Dimitri, der prominente Unterstützer der Alpen-Initiative, für eine zweite Röhre.

Doch Dimitri hat es sich anders überlegt. «Ich werde Nein stimmen», sagt der 80-Jährige im Gespräch mit SonntagsBlick. «Ich habe meine Meinung geändert – und schäme mich nicht dafür.» Auch mit 80 könne man noch dazulernen, fügt er an – und setzt dabei sein umwerfendes Lächeln auf, das bis an die Ohren zu gehen scheint.

Sein ursprünglich begeistertes Ja für den zweiten Tunnel sei spontan und aus dem Bauch heraus gekommen – «wie so vieles bei mir». – «Juppi, dachte ich, toll, dann haben wir keine Staus mehr. Denn die sind tatsächlich eine Plage.» Oft genug steht er selbst in der Blechlawine: Mehrere Dutzend Mal pro Jahr fährt Dimitri durch den Gotthard. Seit Jahrzehnten lebt und arbeitet er im Centovalli, wo er in den 70er-Jahren die Scuola und das ­Teatro Dimitri gründete.

Als seine anfängliche Begeisterung für einen zweiten Tunnel pub­lik wurde, waren die Reaktionen heftig. «Es gab auch ein, zwei sehr böse E-Mails», erzählt er. Erst dann habe er begonnen, sich so richtig mit der Materie zu beschäftigen, räumt er ein. Beispielsweise habe er erfahren, dass die Sanierung gar nicht so dränge wie es immer heisse. Eine zentrale Rolle könnte zudem der neue Eisenbahntunnel (Neat) spielen, der diesen Sommer eröffnet wird. Dimitri ist überzeugt: «So viele Lastwagen wie möglich müssen auf die Schiene.»

Und vor einer Woche sei ihm zudem ein eindrücklicher Artikel des emeritierten ETH-Professors Christian Menn (88) in die Finger gekommen. Menn gilt als der bedeutendste Schweizer Brückenbauer der Gegenwart. Im Magazin des «Tages-Anzeigers» bemängelte er, dass es keinen Wettbewerb gab, um die beste Sanierungs­variante zu prüfen. Spätestens dann war für Dimitri klar: «Die Abstimmung ist überhastet.»

Stimme das Schweizer Volk für eine zweite Röhre am Gotthard, sei alles in Stein gemeisselt. «Deshalb sage ich mit meinem bescheidenen Clown-Hirn: Bei einem Nein kann man in aller Ruhe Alternativen prüfen.» Überhaupt sollte man sich dann und wann mehr Zeit lassen, meint Dimitri und setzt wieder sein breites Lächeln auf. «Ich habe wieder gemerkt: Bei wichtigen Fragen sollte man ein paar Nächte darüber schlafen, ­bevor man etwas öffentlich verkündet.»

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