BLICK: Der Bundesrat hat Staatssekretär Jacques de Watteville als EU-Chefunterhändler bestimmt. Ein Glücksfall für die Schweiz?
Die Verknüpfung sämtlicher EU-Verträge ist richtig. Dieser Schritt war überfällig. Aber auch der beste Unterhändler kann keinen Vertrag zugunsten der Schweiz aushandeln, wenn der Bundesrat bereit ist, einen Kolonialvertrag zu akzeptieren. Abgesehen davon ist de Watteville ein EU-Turbo.
Vor 18 Monaten hat das Volk die SVP-Masseneinwanderungs-Initiative angenommen. Wie kommt die Umsetzung voran?
Schlecht. Seit der Abstimmung sind wieder netto 100 000 Ausländer mehr in der Schweiz geblieben. Es wäre einfach, dies zu stoppen. Der Bundesrat müsste bloss die Regelung, die von 1970 bis 2007 galt, aus der Schublade nehmen. Aber der Bundesrat will nicht.
Er hat seinen Zeitplan bis jetzt eingehalten. Im Herbst kommt das Ausländergesetz ins Parlament.
Nein, das betrifft nicht die Zuwanderung. Die vorgesehene Kontingentierung soll nur für Leute von ausserhalb der EU gelten. Diese Lösung strebt der Bundesrat an, aber bis zu den Wahlen will er die Karten nicht offenlegen. Hinzu kommt, dass der Bundesrat versprochen hat, die Zuwanderung auch ohne Initiative zu reduzieren. Auch da hat sich nichts getan.
Er hat immerhin die FachkräfteInitiative ausgebaut.
Ein Berichtlein, aber nichts Greifbares.
Der Bundesrat will 100 Millionen Franken in die Ärzte-Ausbildung investieren, damit weniger Gesundheitspersonal aus dem Ausland geholt werden muss.
Mit Geld lösen Sie das Problem nicht. An den schweizerischen Unis besteht für Medizin faktisch ein Numerus clausus, weil ausländische Studenten die Universitäten überfüllen. Wegen der ungebremsten Zuwanderung braucht es auch immer mehr Ärzte, Pflegepersonal, neue Spitäler und so weiter.
Worauf wollen Sie hinaus?
Tatsache ist, dass der Stimmbürger die Personenfreizügigkeit beendet hat. Schliesslich heisst es jetzt in der Verfassung: «Die Schweiz regelt die Zuwanderung eigenständig.»
Im Abstimmungskampf sagten Sie, dass der Bundesrat in Brüssel alles erreichen könne, auch eine Anpassung der Personenfreizügigkeit. Jetzt soll das Volk die Personenfreizügigkeit beendet haben?
Das habe ich zwar nicht gesagt. Aber der Vertrag mit der EU enthält Verhandlungsklauseln, eine Schutzklausel und eine Kündigungsklausel. Also anwenden, nicht schwatzen!
Die EU droht damit, die Bilateralen zu kündigen.
Die EU-Länder haben an diesen Verträgen das grössere Interesse als die Schweiz, denken Sie nur an das Landverkehrsabkommen. Die SVP bekämpft diese Verträge nicht. Sie sind für die Schweiz aber auch nicht überlebensnotwendig. Die Personenfreizügigkeit jedoch kann die Schweiz nicht verkraften.
Die Wirtschaft fürchtet dieses Szenario.
Das ist unbegründet. Schon heute kommt fast die Hälfte der Zuwanderer nicht zum Arbeiten in die Schweiz. Die Wirtschaft wird ihre Arbeitskräfte auch künftig erhalten, wenn im Inland keine gefunden werden können. Und nur so, mit gültigem Arbeitsvertrag, soll die Einwanderung möglich sein.
Neuerdings sind Sie bereit, über eine mit den Bilateralen kompatible Schutzklausel zu diskutieren.
Sinn macht sie nur, wenn die Zuwanderung massiv gesenkt wird. Persönlich bin ich für die konsequente Umsetzung des Masseinwanderungs-Artikels, notfalls auch für die Kündigung der Personenfreizügigkeit.
Ihre neue Kompromissbereitschaft deutet eher darauf hin, dass Sie kalte Füsse bekommen haben, weil sich die Wirtschaft von der SVP abwendet.
Wer ist die Wirtschaft? Meinen Sie, ich hätte es nötig, auf die Wirtschaftsbürokraten zu hören? Es sind die gleichen fehlgeleiteten Kreise, die 1992 die Schweiz in die EU treiben wollten. Schauen Sie sich doch Economiesuisse an: Die Direktorin kommt vom Staat, der Präsident war bei staatsnahen Unternehmen tätig.
Es trifft Sie nicht, wenn die Bankiervereinigung sagt, die SVP sei keine Wirtschaftspartei mehr?
Nein. Nur weil gewisse kleinkarierte Funktionäre glauben, damit etwas einfacher Geschäfte im Ausland zu machen, opfern wir nicht die schweizerischen Grundwerte.
Was erwarten Sie nun vom Bundesrat?
Dass er den Volkswillen endlich beachtet. Und dass er der EU erklärt, dass die Schweiz keine institutionelle Bindung akzeptieren kann. Lässt sich die EU nicht auf Verhandlungen ein, muss man halt in Kauf nehmen, dass die EU vielleicht sogar das gesamte Bilaterale-1-Paket kündigt.