Am Freitag traten die SVP-Kader zu ihrer jährlichen Tagung zusammen. Die erfolgsverwöhnte Partei ist nach den Triumphen der letzten Monate mit sich zufrieden. Am Abend aber wird die gediegene Atmosphäre im Viersternehotel Bad Horn im Thurgau jäh gestört: Parteipräsident Toni Brunner (41) verkündet im kleinen Kreis seinen Rücktritt. Nach acht Jahren will der Vollblutpolitiker am 23. April in die zweite Reihe gehen, sich auf Hof und Nationalrat konzentrieren.
Es ist nicht der einzige Rücktritt, der die Volkspartei an diesem Wochenende am Bodensee erschüttert. Während am Samstagmittag bereits die Nachricht von Brunners Abgang durchs Land geht, macht sich Christoph Blocher (75) im Hotel Bad Horn für die Rückfahrt nach Herrliberg ZH bereit.
Zu SonntagsBlick sagt er: «Ab April werde ich nicht mehr Vizepräsident der SVP sein.» Sein Auftritt in Horn war für ihn einer der letzten als aktiver Funktionär der SVP, der er seinen Stempel aufgedrückt hat wie kein Zweiter – und mit der er die Schweizer Politik in der jüngeren Vergangenheit prägte wie kaum ein anderer. Sein Populismus und seine knallharten Initiativen haben das politische Klima rauer gemacht und das Land auf einen Weg eingespurt, der abseits der europäischen Einigung verläuft.
Es ist das Ende einer Ära. Blocher, alt Bundesrat und alt Natio-nalrat, gibt nach über 40 Jahren sein letztes politisches Amt auf. 1974, im Geburtsjahr von Toni Brunner, wurde er Gemeinderat in Meilen ZH. Ein Jahr später Zürcher Kantonsrat. Von 1979 bis zur Wahl in den Bundesrat vertrat er seine Partei im Parlament. Nach der Abwahl folgte postwendend der Eintritt als Vizepräsident in die nationale Parteileitung – mit Toni Brunner als Präsident. Gemeinsam tritt das Erfolgsduo nun ab.
Mit ihrem Doppelrücktritt läuten die beiden einen politischen Generationenwechsel in der SVP ein – und einen Umbau ihrer Strukturen: «Die Partei braucht künftig Vizepräsidenten, die richtig chrampfen und Dossiers übernehmen», so der SVP-Doyen. Ganz wichtig für den Milliardär: Seine Nachfolger an der Spitze der Sünneli-Partei dürfen weiterhin nicht besoldet werden. Noch einmal lobt Blocher seinen politischen Ziehsohn überschwänglich: Natürlich habe auch er versucht, Brunner den Rücktritt auszureden. «Man musste ihn ja fast immer zwingen.» Ob zur Kandidatur als Nationalrat oder zur Übernahme des Parteipräsidiums 2008. «Manchmal hat er geschimpft. Gemacht hat er es trotzdem – und stets sehr gut.»
Für Blocher war Brunner in der Partei stets der Fähigste. Zugetraut hat er ihm alles. Sogar das wichtigste Amt im Land. Gerne hätte er gesehen, dass der Toggenburger Bauer im letzten Dezember auch ins Bundesrats rennen steigt – diesmal winkte Brunner ab.
Seinerseits stand der St. Galler grundsätzlich 100 Prozent loyal zum umstrittenen Parteipatron. Ob mit Mikrofon oder ohne: Nie liess er ein kritisches Wort über Blocher hören.
Brunner wirkt erleichtert an diesem Samstag in Horn, beinahe noch lockerer als sonst. Die letzten Monate seien nicht ganz leicht gewesen, erzählt er. «Der Entscheid, nicht mehr zu kandidieren, stand fest, zugleich musste ich alles dafür tun, dass die SVP die Wahlen gewinnt und einen zweiten Bundesratssitz erhält.»
Acht Jahre seien eine lange Zeit: «Ich denke in Legislaturen, nochmals vier Jahre wollte ich die Partei nicht mehr präsidieren. Also brauchte es jetzt einen Wechsel.» Er freut sich, wieder mehr auf seinem Bauernhof arbeiten zu können. Vielleicht bleibt künftig sogar etwas Zeit für Hobbys: «Seit Jahren kaufe ich jeweils ein Loipenabo – aber was mir bis heute fehlt, sind die Langlaufski. Das will ich jetzt ändern.» Er bleibe der Partei als Nationalrat erhalten, «aber ich könnte mir durchaus ein Leben ohne Politik vorstellen».
Brunner lächelt sich geduldig durch den Medien-Marathon. Derweil hat Christoph Blocher den Hut tief ins Gesicht gezogen. Gemeinsam mit Ehefrau Silvia (71) geht er auf den Parkplatz vor dem Hotel. Silvia geht am Rollator. Bei einem Sturz an Weihnachten hat sie eine schwere Gehirnerschütterung erlitten.
Auch ihr Gatte ist kürzlich gestürzt. Seine verletzte Schulter musste notfallmässig im Spital verarztet werden. «Ich gehöre zum alten Eisen», sagt Christoph Blocher. Und lächelt.