Natürlich gehe das nicht, was Ueli Maurer (72) in der chinesischen Botschaft getrieben hat, das sei offensichtlich. «Darum muss ich auch nichts dazu sagen», erklärt ein Parteipräsident. Vielmehr freue er sich, dass schon wieder ein SVPler die Nähe zu einem autokratischen Regime gesucht hat. «Das dürfte der Partei bei den Wahlen schaden. Mir solls recht sein.»
Namentlich zitieren lassen will er sich nicht. Und nicht nur die Parteispitzen schweigen vielsagend zum Botschafts-Besuch des ehemaligen Finanzministers. Auch im Umfeld der amtierenden Bundesräte gibt man sich zugeknöpft und will nicht sagen, ob man sich den alt Bundesrat zur Brust nimmt – oder sich wenigstens höflich versichert, ob dieser im Namen der Schweiz nicht irgendwelche Versprechen abgegeben hat.
Wird Besuch Thema im Bundesrat?
Es sei allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Gesamtbundesrat den Botschafts-Besuch bei seiner nächsten Sitzung thematisieren werde. Öffentlich tadeln wird man den einstigen Kollegen ebenso wenig wie bei früheren Anlässen. Ueli Maurer sei halt Ueli Maurer. Er provoziert gern und polarisiert immer.
Wenn schon, dann müsste die Initiative vom amtierenden Bundespräsidenten ausgehen. Doch Alain Berset (51) ist angesichts seiner eigenen Affären momentan der Letzte in der Regierung, der mit dem Finger auf einen anderen Magistraten zeigen kann – auch wenn dieser zurückgetreten ist.
Couchepin: «Wagemutig»
Von anderen alt Bundesräten erhält Maurer teilweise Rückendeckung. Es sei nicht ungewöhnlich, dass sich ein alt Bundesrat kurz nach seinem Rücktritt weiterhin auf politischem Parkett bewege, finden sie.
Er selbst pflege auch Kontakte zu Vertretungen, die er aus seiner Zeit aus der Landesregierung kenne, sagt Pascal Couchepin (81, FDP). Couchepin nennt Maurers Besuch jedoch «wagemutig». Aus seiner Sicht hätte Maurer es vorhersehen müssen, dass die chinesische Botschaft den Besuch für eigene PR braucht. Einen Vorwurf will er seinem Kollegen deshalb aber nicht machen.
Calmy-Rey hat Bundesrat immer informiert
Auch die ehemalige SP-Magistratin Micheline Calmy-Rey (77) sagt, sie erhalte bis heute Einladungen von offiziellen Vertretungen, teilweise in ihrer Funktion als Gastprofessorin an der Uni Genf. Sie stellt sich auf den Standpunkt: «Wir sind normale Bürger – und machen heute, was wir wollen.» Sie habe nach ihrem Rücktritt mehrere Reisen ins Ausland unternommen und etwa den Kosovo, Aserbaidschan und Armenien besucht. Dabei habe sie teilweise auch Minister getroffen. Doch: «Bei solchen Reisen habe ich jeweils das Aussendepartement in Bern informiert, aus eigenen Stücken.» Maurer tat das nicht.
Ob abgetreten oder nicht: Gegen aussen signalisiert man Zusammenhalt. Und selbst die chinesische Botschaft teilt mit, man pflege Kontakte mit Regierungsmitgliedern, Geschäftsleuten und anderen Personen in der Schweiz. Auch wenn diese zurückgetreten seien. Das Treffen von Botschafter Wang Shihting und Ueli Mauer sei «ein normales» gewesen. «Wir hoffen, dass die Medien das nicht überinterpretieren», so die Botschaft.