Die Affäre um angeblich korrupte Zürcher Sittenpolizisten entwickelt sich zum Rohrkrepierer. Nun versucht Staatsanwalt Manfred Hausherr (50) mit einem Fragen-Tsunami die beschuldigten Polizisten zu zermürben und seine verkorkste Strafuntersuchung zu retten.
Vor zweieinhalb Jahren wurden fünf Polizisten verhaftet. Drei Verfahren sind immer noch offen, zwei wurden eingestellt. Bruno O.* (45), damals der stellvertretende Chef der Sitte, wurde mit einem Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe von 9000 Franken verurteilt, wegen Amtsgeheimnisverletzung, Amtsmissbrauchs und weil er sich habe bestechen lassen.
Bruno O. und sein Anwalt Valentin Landmann (65) denken nicht daran, dieses Verdikt zu akzeptieren. Im Fokus des Staatsanwalts steht nicht eine Prostituierte, sondern die brasilianische Bardame Tamara**. Der Vize-Sittenchef habe ihr gegenüber das Amtsgeheimnis verletzt und Amtsmissbrauch begangen.
Tatsächlich hatte der Beamte mit ihr ein heftiges Techtelmechtel. Sie vertraute ihm an, ihr Ehemann wolle ihr Schlechtes und bat den Polizisten, herauszufinden, ob etwas gegen den Gatten vorliege. Der Beamte schaute nach und teilte ihr mit, er habe nichts gefunden.
Gemäss Landmann, dem Anwalt von Bruno O., war der Ehemann aber sehr wohl verzeichnet, «jedoch nichts in Richtung Gewalt. Somit war für meinen Mandanten die Sache erledigt». Der Polizist sagt zu BLICK: «Was wäre passiert, wenn eine konkrete Gefährdung vorgelegen hätte und ich darauf nichts unternommen hätte?»
Staatsanwalt Hausherr sieht das anders. Er behauptet, die SMS, die Bruno O. danach an Tamara schickte, forderten Gegenleistungen für das Nachschauen ein. Der Polizist schrieb Dinge wie: «Treffen wir uns heute?» oder «Lass dich in meine Arme fallen (…).» Mit einer Flut von Fragen (siehe Box) will Manfred Hausherr Bruno O. in die Enge treiben. Dazu liess der Staatsanwalt 245 Seiten SMS übersetzen, denn der Polizist und die Bardame kommunizierten auf Portugiesisch.
Der Zürcher Ständerat und Rechtsprofessor Daniel Jositsch (50) hat auf Bitte Landmanns über den Fall ein Gutachten verfasst. Er hält Bruno O. in keinem der drei Anklagepunkte für schuldig. Der Beamte habe die Geheimnisse nicht preisgegeben, sagt Jositsch im Gutachten.
Laut Staatsanwalt soll der Beamte in zwei weiteren Fällen das Amtsgeheimnis verletzt haben – was dieser ebenfalls bestreitet. Neben Bruno O. (3000 Fragen) ermittelt Staatsanwalt Hausherr mit dem gleichen Fragen-Bombardement gegen zwei weitere ehemalige Sittenpolizisten. C. J.* (41) wurde rund ein Dutzend Mal befragt: «Bei der letzten Einvernahme wurden mir 381 Fragen gestellt, total waren es 2827 Fragen.»
BLICK wollte vom Staatsanwalt wissen, ob seine Fragenflut eine Zermürbungstaktik sei. «Nein, es gilt, die Sachverhalte sorgfältig zu klären», antwortet an seiner Stelle die Oberstaatsanwaltschaft. «Es handelt sich um ein aufwendiges Verfahren mit diversen Beteiligten und Vorwürfen, die zu klären sind.»
Es sei auch keine Retourkutsche für das Nichtakzeptieren des Strafbefehls. «Es ist üblich und gesetzlich vorgesehen, zur Beurteilung der Einsprache neue Beweise abzunehmen.» Dazu sagt Anwalt Landmann: «Von einer Zermürbungstaktik kann man wohl sprechen. Der Fall Chilli’s hat bald mehr Akten produziert als das Swissair-Grounding.»
* Name bekannt
** Name geändert
BLICK zeigt ein zusammengefasstes Beispiel aus den Einvernahmeakten von Bruno O.
Staatsanwalt: Dann sagen Sie mir, was Tamara Ihnen sagte.
Bruno O.: Sie hat mir gesagt, sie werde von ihrem Ehemann sinngemäss missbraucht, geschlagen (…).
Staatsanwalt (hält ihm ein SMS von Tamara vor): «Entschuldige, ich habe viele Probleme.»
Bruno O.: Es geht hier um den gleichen Punkt (…).
Staatsanwalt: Weshalb schrieb Ihnen Tamara «Entschuldige»?
Bruno O.: Das müssen Sie Tamara selber fragen.
Staatsanwalt: Haben Sie bei Tamara gefragt, weshalb Sie Ihnen «Entschuldige» schrieb?
Bruno O.: Nein.
Staatsanwalt: Weshalb nicht?
Bruno O.: Das weiss ich nicht mehr.
Staatsanwalt: Hat dieses «Entschuldige» (…) mit dem SMS Nr. 655 und 671 zu tun, worin Sie ihr schrieben «antwortest du nicht» und «schade, dass du mich vergessen hast»?
Bruno O.: Keine Ahnung, das war 2013. Das ist schon ewig lange her.
Staatsanwalt: Hat Tamara Ihre SMS Nr. 655 beantwortet oder nicht?
Bruno O.: Keine Ahnung.
BLICK zeigt ein zusammengefasstes Beispiel aus den Einvernahmeakten von Bruno O.
Staatsanwalt: Dann sagen Sie mir, was Tamara Ihnen sagte.
Bruno O.: Sie hat mir gesagt, sie werde von ihrem Ehemann sinngemäss missbraucht, geschlagen (…).
Staatsanwalt (hält ihm ein SMS von Tamara vor): «Entschuldige, ich habe viele Probleme.»
Bruno O.: Es geht hier um den gleichen Punkt (…).
Staatsanwalt: Weshalb schrieb Ihnen Tamara «Entschuldige»?
Bruno O.: Das müssen Sie Tamara selber fragen.
Staatsanwalt: Haben Sie bei Tamara gefragt, weshalb Sie Ihnen «Entschuldige» schrieb?
Bruno O.: Nein.
Staatsanwalt: Weshalb nicht?
Bruno O.: Das weiss ich nicht mehr.
Staatsanwalt: Hat dieses «Entschuldige» (…) mit dem SMS Nr. 655 und 671 zu tun, worin Sie ihr schrieben «antwortest du nicht» und «schade, dass du mich vergessen hast»?
Bruno O.: Keine Ahnung, das war 2013. Das ist schon ewig lange her.
Staatsanwalt: Hat Tamara Ihre SMS Nr. 655 beantwortet oder nicht?
Bruno O.: Keine Ahnung.