Dieses hatte Mitte Dezember den Bundesrat aufgefordert, den Atomwaffenverbotsvertrag so rasch wie möglich zu unterzeichnen und dem Parlament zur Genehmigung vorzulegen. Auslöser war eine von beiden Räten angenommene Motion von Carlo Sommaruga (SP/GE). Durch die Ratifikation des Atomwaffenverbotsvertrags würde die Schweiz ihr klares Eintreten zugunsten des humanitären Völkerrechts und der damit verbundenen Werte verdeutlichen, lautete der Tenor.
In den vergangenen Wochen hat der Druck weiter zugenommen. Die Stadt Genf schloss sich einem weltweiten Städte-Appell zugunsten des Atomwaffenverbotsabkommens an. Sie brachte damit ihre «tiefe Besorgnis über die ernste Bedrohung der Völker durch Atomwaffen» zum Ausdruck. Die Stadt argumentierte mit ihrer humanitären Tradition, welche sie aufgrund der Genfer Konventionen einnehme, die in diesem Jahr ihr siebzigjähriges Bestehen feiern.
Trotzdem möchte der Bundesrat weiter mit der Ratifizierung des Vertrags zuwarten. «Er hat entschieden, unter Beizug externer Sachverständiger einen möglichen Beitritt der Schweiz vertieft zu prüfen», heisst es in einer Mitteilung vom Mittwoch. Eine neue Standortbestimmung werde bis Ende 2020 vorliegen.
Die Regierung möchte nach eigenen Angaben diese Zeit nutzen, um Bilanz über die jüngsten aussen- und sicherheitspolitischen Entwicklungen zu ziehen. Dazu gehören unter anderem der Austritt der USA und Russlands aus dem Vertrag zum Verbot aller bodengestützten und atomar bestückbaren Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern.
Der Aufschub des Entscheids über die Ratifizierung des Atomwaffenverbotsvertrags dürfte viele Parlamentarier nicht zufriedenstellen. Der Bundesrat schreibt dazu, dass «er insbesondere aufgrund des Entscheids des Parlaments seine Überprüfung beschleunigen und früher als geplant eine Neubeurteilung vorlegen» wolle. Eine erneute Standortbestimmung werde deshalb nicht erst bis Ende 2025 gemacht.
Im August 2018 hatte die Landesregierung beschlossen, den Vertrag nicht zu unterzeichnen. Die Gründe gegen einen Beitritt der Schweiz überwögen die potenziellen Chancen, hiess es damals. Das gefährde die humanitäre Tradition nicht.
Aussenminister Ignazio Cassis bezeichnete den Vertrag als Symbolpolitik, der die nukleare Abrüstung nicht voranbringe. Dieser vertiefe zusätzlich die Spaltung der Staatengemeinschaft. Zudem werde keiner der Staaten, die Atomwaffen besitzen, dem Vertrag beitreten. Die Schweiz solle als Beobachterin die Entwicklung genau verfolgen, betonte Cassis.
Unabhängig von ihrer Position gegenüber dem Atomwaffenverbotsvertrag soll die Schweiz laut dem Bundesrat weiterhin in der nuklearen Abrüstung engagiert bleiben. «Die Schweiz teilt das Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen und will als Brückenbauerin dazu beitragen, in praktischen Schritten mit allen Staaten auf dieses Ziel hinzuarbeiten», heisst es in der Mitteilung weiter.
Aus Schweizer Sicht sei kaum vorstellbar, wie ein Einsatz von Kernwaffen in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Völkerrechts erfolgen könnte.
Der Kernwaffenverbotsvertrag wurde 2017 in der Uno verhandelt. Die Schweiz hatte der Annahme des Vertrags zugestimmt, ihre Ja-Stimme jedoch mit einer Abstimmungserklärung ergänzt, die auf zahlreiche offene Fragen hinwies.
Das Abkommen schafft erstmals ein umfassendes und ausdrückliches Verbot für Atomwaffen. Es verbietet den Einsatz und dessen Androhung sowie Herstellung, Erwerb, Stationierung und Weitergabe von Kernwaffen.
Bis Juli 2017 hatten mehr als 120 Länder den Vertrag verabschiedet, aber nur etwas mehr als die Hälfte von ihnen hat ihn inzwischen unterzeichnet. Für das Inkrafttreten müssen fünfzig Staaten das Abkommen ratifizieren, bisher haben das erst deren 22 getan.
(SDA)