Der Auftrag des Parlaments war eindeutig: Mitte Dezember verabschiedete nach dem Nationalrat auch der Ständerat einen Vorstoss, der den Bundesrat auffordert, «so schnell wie möglich» den Atomwaffenverbots-Vertrag zu unterzeichnen.
Doch die Regierung weigert sich, den Willen der Parlamentarier umzusetzen. Statt zu unterschreiben, will der Bundesrat den Vertrag erst noch einmal genau unter die Lupe nehmen. An der heutigen Sitzung entschied er, unter Beizug externer Experten einen möglichen Beitritt der Schweiz vertieft zu prüfen. Eine neue Standortbestimmung werde bis Ende 2020 vorliegen.
Auch Genf macht Druck
Der Bundesrat möchte nach eigenen Angaben diese Zeit nutzen, um Bilanz über die jüngsten aussen- und sicherheitspolitischen Entwicklungen zu ziehen. Dazu gehören unter anderem der Austritt der USA und Russlands aus dem INF-Abrüstungsvertrag. Ursprünglich habe man für diese Standortbestimmung einen Zeitraum bis Ende 2025 vorgesehen. Wegen des Drucks von Seiten des Parlaments will man nun schon Ende nächstes Jahr damit fertig sein.
Nicht nur das Parlament forderte den Bundesrat auf, das Abkommen zu unterzeichnen. Die Stadt Genf schloss sich einem weltweiten Städte-Appell zugunsten des Atomwaffenverbotsabkommens an. Sie brachte damit ihre «tiefe Besorgnis über die ernste Bedrohung der Völker durch Atomwaffen» zum Ausdruck. Die Stadt argumentierte mit ihrer humanitären Tradition, welche sie aufgrund der Genfer Konventionen einnehme, die in diesem Jahr ihr siebzigjähriges Bestehen feiern.
Bundesrat sieht in Vertrag mehr Nach- als Vorteile
Im August 2018 hatte die Landesregierung beschlossen, den Vertrag nicht zu unterzeichnen. Die Gründe gegen einen Beitritt der Schweiz überwögen die potenziellen Chancen, hiess es damals. Das gefährde die humanitäre Tradition nicht.
Aussenminister Ignazio Cassis bezeichnete den Vertrag als Symbolpolitik, der die nukleare Abrüstung nicht voranbringe. Dieser vertiefe zusätzlich die Spaltung der Staatengemeinschaft. Zudem werde keiner der Staaten, die Atomwaffen besitzen, dem Vertrag beitreten. Die Schweiz solle als Beobachterin die Entwicklung genau verfolgen, betonte Cassis.
Unabhängig von ihrer Position gegenüber dem Atomwaffenverbotsvertrag soll die Schweiz laut dem Bundesrat weiterhin in der nuklearen Abrüstung engagiert bleiben. «Die Schweiz teilt das Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen und will als Brückenbauerin dazu beitragen, in praktischen Schritten mit allen Staaten auf dieses Ziel hinzuarbeiten», heisst es in der Mitteilung weiter. Aus Schweizer Sicht sei kaum vorstellbar, wie ein Einsatz von Kernwaffen in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Völkerrechts erfolgen könnte.
Erstes umfassendes Atomwaffenverbot – doch was bringts?
Das Uno-Abkommen über ein Atomwaffenverbot schafft erstmals ein umfassendes und ausdrückliches Verbot für Nuklearwaffen. Es verbietet deren Einsatz und Androhung sowie Herstellung, Erwerb, Stationierung und Weitergabe. Der Atomwaffensperrvertrag von 1968 hingegen verbietet nur Staaten, die keine Atomwaffen besitzen, solche herzustellen oder zu kaufen. Atommächte verpflichten sich «nur» zur Abrüstung.
Für das umfassende Verbot setzen sich seit langem die mit dem Friedensnobelpreis 2017 ausgezeichnete Anti-Atomwaffen-Organisation Ican ein, aber auch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC).
Im Juli 2017 hatten über 120 Länder den Vertrag verabschiedet, aber nur etwas mehr als die Hälfte von ihnen hat ihn inzwischen unterzeichnet. Für das Inkrafttreten müssen fünfzig Staaten das Abkommen ratifizieren. Inwiefern der Vertrag tatsächlich dazu beitragen kann, Atomwaffen zu verbannen, ist umstritten. Sämtliche Staaten in Besitz von Nuklearwaffen und auch die Nato-Mitgliedsstaaten nahmen gar nicht erst an den Verhandlungen teil. (SDA/lha)