«Wir haben überhaupt keinen Erfolg. Seit fünf Jahren rennen wir Mauern ein», sagt Carla Del Ponte (70) als BLICK die UNO-Sonderberichterstatterin in Syrien am Locarno Filmfestival trifft.
Die ehemalige Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag sei frustriert. Sie habe erkennen müssen, dass sie «nur als Alibi-Ermittlerin ohne politische Unterstützung» eingesetzt würde.
Sofern der UN-Sicherheitsrat kein Sondertribunal für die Kriegsverbrechen in Syrien einsetze, seien jegliche Berichte völlig nutzlos. China und Russland würden alles blockieren. «Ich habe meinen Rücktrittsbrief schon geschrieben und sende ihn in den nächsten Tagen ab.»
Im September werde sie an der letzten Sitzung teilnehmen. «Ich gebe auf, die Staaten des Sicherheitsrates wollen keine Gerechtigkeit. Ich kann nicht mehr in dieser Kommission sein, die einfach nichts tut!»
«Alle in Syrien sind böse»
Syrien sei ein Land ohne Zukunft. «Sie zerstören alles, was irgendwie menschlich ist. Es ist unfassbar.» Es gebe keine Schulen mehr, keine Institution. «Und glauben Sie mir: So schlimme Verbrechen wie in Syrien begangen werden, habe ich weder in Ruanda noch in Ex-Jugoslawien gesehen», so Del Ponte.
Es sei ein Skandal für die internationale Gemeinschaft. «Wir dachten, dass die internationale Gemeinschaft etwas gelernt hat in Ruanda. Aber nein, nichts haben sie gelernt!», sagt Del Ponte sichtlich aufgebracht.
«Zu Anfang gab es die Guten und die Bösen», erklärt die Tessinerin. «Die Opposition als die Guten, und die Regierung in der Rolle der Bösen.» Nach sechs Jahren Ermittlungen müsse sie sagen: «Alle in Syrien sind böse. Die Regierung Assad, die schreckliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt und Chemiewaffen einsetzt. Und die Opposition, die nur noch aus Extremisten und Terroristen besteht.»