Die frühere Uno-Chefanklägerin Carla Del Ponte ist mit ihrer einstigen Arbeitgeberin in einem Interview erneut hart ins Gericht gegangen. «Die Uno ist für mich eine grosse Enttäuschung.» Die Ex-Bundesanwältin kritisierte auch den amtierenden Ankläger Michael Lauber.
«Können Sie mir sagen, was der heutige Bundesanwalt macht? Nein? Eben. Er existiert nicht», sagte die 71-jährige Tessinerin in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Man wisse nicht, was er mache. «Ich finde, ein Bundesanwalt muss transparent sein und mit Kritik umgehen können.» Ein Bundesanwalt oder Ankläger, der keine Feinde habe, sei kein guter Beamter. «Bei mir wusste man haargenau, was ich tat.»
Der seit 2012 als Bundesanwalt agierende Lauber ist allerdings dafür bekannt, dass er offensiver kommuniziert als seine unmittelbaren Vorgänger. Lauber löste Erwin Beyeler ab, den das Parlament nach Kritik an der Amtsführung und Zweifeln an der Fachkompetenz nicht wiedergewählt hatte.
«Nur wenige Uno-Beamte arbeiten wirklich»
Daneben erneuerte Del Ponte ihre Kritik an den Vereinten Nationen. Bei ihrer Arbeit als Uno-Sonderermittlerin für Syrien habe sie gesehen, dass bei der Uno vor allem sehr viel geredet werde. «Eine Schwatzbude. Es gibt auch sehr viele Beamte, zu viele. Nur wenige arbeiten wirklich.»
Deshalb müsse die Uno reorganisiert werden. Mit Blick auf das Ziel einer internationalen Justiz malte Del Ponte ein düsteres Bild. «Wir sind an einem Tiefpunkt angelangt. Menschenrechte gelten nichts mehr.» Dennoch sollte man weiter daran festhalten. «Wir müssen daran glauben, dass ein unabhängiges internationales Gericht Gerechtigkeit schaffen kann.»
Del Ponte will sich nach einem Auftritt am 5. Dezember an einem Forum in Aarau zu ihrem Buch «Im Namen der Opfer» aus der Öffentlichkeit zurückziehen. «Ende Jahr werde ich verschwinden. Das wars, auch wenn es niemand glaubt.»
1999 wurde die frühere Staatsanwältin des Kantons Tessin und Bundesanwältin zur Uno-Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien und Rwanda berufen. Zuletzt untersuchte sie bis 2017 als Uno-Sonderermittlerin Kriegsverbrechen in Syrien. Danach trat sie aus Protest zurück und warf dem Uno-Sicherheitsrat in dem Konflikt Untätigkeit vor. (SDA)