Der Nationalrat befürwortet Versuche zur kontrollierten Abgabe von Cannabis grundsätzlich. Er will zumindest darüber diskutieren, solche Versuche zu ermöglichen. Mit 100 zu 85 Stimmen bei zwei Enthaltungen hat sich der Rat am Dienstag dafür ausgesprochen, auf eine entsprechende Gesetzesvorlage einzutreten. Bevor er über die Details beraten kann, muss sich nun erneut die Gesundheitskommission damit befassen.
Diese hatte sich gegen einen Experimentierartikel im Betäubungsmittelgesetz ausgesprochen – und dem Rat mit Stichentscheid des Kommissionspräsidenten beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten.
SVP und CVP dagegen
Gegen den Experimentierartikel stellten sich im Nationalrat die SVP und die Mehrheit der Mitte-Fraktion aus CVP, BDP und EVP. Das Geld solle besser für Drogenprävention zu Gunsten einer gesunden Jugend ausgegeben werden, sagte Verena Herzog (SVP/TG).
Fraktionskollegin Therese Schläpfer (ZH) wies auf die schädlichen Auswirkungen von Cannabis hin. Es sei widersprüchlich, beim Rauchen laufend strengere Regeln zu erlassen und beim Kiffen – das die Lungen stärker schädige – solche Versuche zuzulassen.
In der Mitte-Fraktion gaben Bedenken bezüglich des Jugendschutzes den Ausschlag, wie Lorenz Hess (BDP/BE) erklärte. Hinzu kämen Befürchtungen, dass die wissenschaftlichen Studien nicht die Drogenabstinenz zum Ziel hätten, sondern einen ersten Schritt hin zu einer Liberalisierung darstellten.
Lediglich ein Pilotversuch
Die Befürworterinnen und Befürworter des Experimentierartikels argumentierten, es sei nötig, neue Wege in der Cannabispolitik zu prüfen. Trotz des Verbots konsumierten in der Schweiz über 200'000 Menschen regelmässig Cannabis.
Die Repression binde viele Ressourcen ohne befriedigende Ergebnisse, sagte Gesundheitsminister Alain Berset. Er rief in Erinnerung, dass der Experimentierartikel einem Wunsch der Städte und einem Bedürfnis der Wissenschaft entspreche.
Regine Sauter (FDP/ZH) befand, die heutige Situation sei in jeder Hinsicht unbefriedigend. Das Gesetz verhindere nicht, dass Cannabis konsumiert werde. «Jugendliche gelangen zu einfach an Cannabis, die Ware ist schlecht, die Kriminalität floriert.» Für die Aufregung gebe es keinen Grund. Es gehe lediglich um Pilotversuche.
In manchen Städten sei am Sonntagmorgen Cannabis einfacher erhältlich als Brot, stellte Léonore Porchet (Grüne/VD) fest. Der Verbrauch steige, und Suchtprobleme nähmen zu. Dass die Qualität keinerlei Kontrolle unterliege, berge Gefahren für die Konsumentinnen und Konsumenten.
Yvonne Feri (SP/AG) betonte, niemand werde mit den Projekten zum Konsum von Cannabis verleitet. Es gehe einzig und alleine darum herauszufinden, wie sich die kontrollierte Abgabe auf den Konsum, die Gesundheit und das Suchtverhalten auswirkten.
Auf zehn Jahre befristet
Der Nationalrat hatte vergangenes Jahr mehrere Vorstösse gutgeheissen mit dem Auftrag, einen Experimentierartikel einzuführen. Der Bundesrat war jedoch schon vorher aktiv geworden. Seine Vorlage ist auf zehn Jahre befristet und würde eine gesetzliche Grundlage für wissenschaftliche Pilotversuche schaffen.
So könnten alternative Regelungsansätze geprüft werden, ohne diese vorwegzunehmen. Hintergrund ist die verweigerte Bewilligung für eine Cannabis-Studie der Universität Bern. Das Bundesamt für Gesundheit kam zum Schluss gekommen, dass es dafür keine Rechtsgrundlage gebe. Diese Lücke soll mit dem Experimentierartikel geschlossen werden.
Die Pilotversuche würden sich ausschliesslich an Erwachsene richten. Die Weitergabe von Studiencannabis an Minderjährige wäre strafbar. Der Bund würde Versuche auch nur dann bewilligen, wenn die Gesuchsteller ein Präventions- und Jugendschutzkonzept vorlegen würden. (SDA)