«Darfs ein Glas Champagner sein?» In der First Class begrüsst Theres Rösti (56) ihre Passagiere nicht mit leeren Händen. Es ist Sonntagmittag, in wenigen Minuten hebt die Boeing 777 der Swiss in Richtung Miami ab. Während die Reisenden in der Holzklasse noch ihre Plätze suchen und sich die Pilotin und die beiden Piloten für den knapp zehnstündigen Flug parat machen, schenkt Flugbegleiterin Rösti dem Mann auf Platz 2G das erste Sektglas ein.
Für Rösti ists Routine. Seit 30 Jahren arbeitet die Frau von Verkehrsminister Albert Rösti (57) als Flight Attendant. Als der SVP-Politiker im Dezember 2022 in den Bundesrat gewählt wurde, hat sich für seine Frau und ihre beiden Kinder einiges verändert. Eines stand für Theres Rösti aber fest: Sie will weiterhin fliegen.
«Schweizer verhalten sich sehr diskret»
Die «First Lady» in der First Class – viele der Passagiere, auch Schweizer, realisieren gar nicht, von wem sie auf ihrem Langstreckenflug bedient werden. Die Sorge, dass sie ständig angesprochen werden könnte, habe sich als unbegründet herausgestellt, erzählt Theres Rösti. Das sei nur selten der Fall. Und auch wenn sie jemand erkennt: «Schweizerinnen und Schweizer verhalten sich sehr diskret.» Ganz besonders wohl jene, die es vermögen, Luxusklasse zu fliegen – und Diskretion darum selbst schätzen. Aber auch in der Crew gibts keine Sonderbehandlung. «Meist sind es die älteren Crewmitglieder, die mich auf meinen Mann ansprechen», sagt Rösti. Die Jüngeren hingegen seien sich oft nicht bewusst, dass sie mit einer Bundesratsgattin fliegen. Und das sei gut so, schiebt sie nach. «Ich bin hier Theres Rösti – und nicht die Frau des Bundesrats!»
Für Flugbegleiterin Rösti gehts nun weiter mit Servieren. Bis der Hauptgang aufgetischt ist, haben sie und ihre 13 Crew-Kolleginnen und -Kollegen alle Hände voll zu tun. In der First Class sind sie zu zweit: Flugbegleiter Marc Pfander (44) wärmt in der engen Küche die Speisen auf und kümmert sich ums Anrichten, Theres Rösti ist heute hauptsächlich vorne in der Kabine bei den acht Passagieren. Nachdem der letzte Teller abgeräumt ist, bringt sie Pyjamas, macht die Betten parat und zieht sich dann für eine Pause zurück.
Sie spricht sieben Sprachen
Theres Rösti mag ihren Beruf, der eigentlich einst bloss als Zwischenstopp gedacht war. Nach dem Grundstudium in englischer und französischer Literatur und Philologie war sie als junge Frau bei der Crossair eingestiegen, um etwas Geld zu verdienen. «Doch dann bin ich ‹blibe hange›.» Das Flair für Sprachen kommt ihr im Job zugute. Die Flight Attendant spricht neben Englisch, Französisch und Italienisch auch Spanisch, Schwedisch und Russisch.
Seit 2017 arbeitet Rösti hauptsächlich in der First Class. Um ihren Mann an wichtige Anlässe begleiten zu können, hat sie das Pensum von 80 auf 60 Prozent reduziert. Ihre Erfahrung als Flight Attendant habe ihr geholfen, sich in der neuen Rolle als Frau eines Bundesrats zurechtzufinden, erzählt sie. Zum Beispiel, wenn es darum geht, an einem Staatsbankett mit jemandem ins Gespräch zu kommen. «Weil ich schon so viele Stars, aber auch bekannte Politikerinnen und Politiker an Bord hatte, habe ich weniger Berührungsängste.»
Gleichzeitig macht es ihr der Job einfacher, nicht einfach «die Frau von» zu sein. Die Distanz zur Schweiz zwischendurch tut Rösti gut, auch wenn die unregelmässige Arbeit einige organisatorische Herausforderungen mit sich bringt. Denn die Kinder sind zwar ausgeflogen, doch zu Hause in Uetendorf BE wollen zwei Pferde versorgt werden. Das Fliegen sei für sie «ein Stück Freiheit», meint Rösti. «In der Schweiz komme ich mir manchmal vor, wie wenn ich mit dem Weihnachtsmann unterwegs wäre. Alle wollen ein Foto – und ich bin der Schmutzli, der die Kamera halten darf», sagt sie und lacht. Sie nimmts locker.
Zu Hause muss Albert Rösti ran
Am liebsten fliegt die Bernerin nach Los Angeles. Aus persönlichen Gründen: Sohn André (28) studiert in Kalifornien, dank der Arbeit kann sie ihn etwa alle zwei Monate besuchen. In Miami hingegen hat sie andere Pläne. Rösti will am nächsten Morgen am Strand eine Runde joggen – auch wenn das Wetter in diesen Tagen alles andere als einladend ist. Es regnet, als die Crew am frühen Abend (Ortszeit) aus dem Flughafengebäude in die schwüle Abendluft Floridas tritt, wo der Crewbus – noch mit einem alten «Swissair»-Schild angeschrieben – wartet.
Für Rösti und ihre Kolleginnen und Kollegen geht es nun erst einmal ins Hotel. Statt des geplanten Aperitifs auf einer Dachterrasse in Miami Beach schwenkt die Gruppe wetterbedingt auf ein typisch amerikanisches Znacht in der Hotelbar um. Rösti ist müde, schliesslich ist in der Schweiz inzwischen längst Nacht. Den Jetlag spürt sie trotz jahrzehntelanger Flugerfahrung immer noch. Doch für etwas nimmt sie sich immer Zeit: «Guten Wochenstart», schreibt sie ihrem Mann per Whatsapp. Dieser hat den Sonntag zu Hause verbracht. Jemand musste schliesslich die Pferde füttern.