Ein wenig nervös war sie zuvor schon. Doch der Auftritt von Karin Keller-Sutter (54) gestern in der Stadthalle von Wil SG war der einer Staatsfrau. «Es wäre mir eine grosse Ehre und Freude, mich in diesem Amt für die Schweiz einzusetzen», sagte sie – und bestätigte damit, was man seit Wochen, ja seit Jahren munkelte.
Die St. Gallerin ist die massgeschneiderte Nachfolgerin von FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann (66). Und jetzt ist es offiziell: Die FDP kann aufatmen, denn ja, sie will. Und ja, sie hat allerbeste Chancen, am 5. Dezember in die Landesregierung einzuziehen.
Es war immer klar, dass die Freisinnigen der Bundesversammlung unbedingt eine Frau vorschlagen wollen. Doch sie möchten auch eine Kandidatenauswahl präsentieren, also ein Zweier- oder gar ein Dreierticket.
Eine reine Frauenauswahl gibt es kaum
Zwar wird aus einem reinen Frauenticket, wie es FDP-Frauenpräsidentin Doris Fiala (61) forderte, wohl nichts. Denn von den überhaupt in Frage kommenden Frauen hat einzig die Zürcher Nationalrätin Regine Sauter (52) noch nicht abgewinkt. «Ich überlege mir eine mögliche Kandidatur noch», so die Direktorin der Zürcher Handelskammer.
Es bestünde natürlich die Möglichkeit, dass die FDP – wie bei der Nachfolge von Didier Burkhalter (58) – ein Dreierticket ins Rennen schickt: mit der St. Gallerin Keller-Sutter, eventuell der Zürcherin Sauter und einem noch unbekannten Mann. Dass dies mit Ständerat Ruedi Noser (57) oder Nationalrat Hans-Peter Portmann (55) ein weiterer Zürcher sein könnte, gilt als unwahrscheinlich. Doch beide lassen eine Kandidatur noch immer offen.
Zentral- oder Ostschweiz wollen ran
Wahrscheinlicher ist, dass der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki (54) kandidiert. «Die Variante ‹Kandidatur Ständerätin Keller-Sutter› habe ich schon immer in meine Überlegungen integriert, und darum ändert sich bei mir nichts», sagt er. Er will sich in wenigen Tagen entscheiden.
Als Zentralschweizer käme er wie die Ostschweizerin Keller-Sutter aus einer der Regionen, die jetzt Anspruch auf einen Bundesratssitz erheben. Das gilt auch für den Schaffhauser Regierungsrat Christian Amsler (54), der offen einräumt, dass ihn das höchste Exekutivamt im Land interessiere. «Fakt ist, dass Schaffhausen noch nie im Bundesrat vertreten war», sagt er. Und man habe auch im Rahmen der Ostschweizer Regierungskonferenz klar kommuniziert, dass die Region wieder in der Landesregierung vertreten sein müsse. Folglich überlegt sich jetzt auch Amsler eine Kandidatur.
Wie schwer es ein Regierungsrat in der Bundesversammlung hat, davon könnte ihm gerade Keller-Sutter ein Lied singen. Vor acht Jahren unterlag sie als Regierungsrätin ausgerechnet Schneider-Ammann, den es nun zu beerben gilt. Dabei war die frühere Sicherheits- und Justizdirektorin als Präsidentin der Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz (KKJPD) anders als heute Amsler schweizweit bekannt.
Am 5. Dezember wählt die Vereinigte Bundesversammlung die Nachfolger/innen für die zurückgetretenen Bundesräte Johann Schneider-Ammann und Doris Leuthard. Die Wahl verspricht Spannung pur, denn es geht um das wichtigste Amt der Eidgenossenschaft.
Am 5. Dezember wählt die Vereinigte Bundesversammlung die Nachfolger/innen für die zurückgetretenen Bundesräte Johann Schneider-Ammann und Doris Leuthard. Die Wahl verspricht Spannung pur, denn es geht um das wichtigste Amt der Eidgenossenschaft.
Spielt Martin Schmid den Ladykiller?
Bleibt Ständerat Martin Schmid (49). Er könnte unter den FDP-Männern als einziger der Kronfavoritin Keller-Sutter noch das Wasser abgraben. Tatsächlich prüft auch der Bündner seine Optionen. «Wie Sie wissen, überlege ich mir, ob ich selbst auch als Kandidat für die Bundesratsersatzwahlen zur Verfügung stehen soll», sagt er.
Doch gerade weil er Chancen hat, wird er sich gut überlegen, ob er zum Ladykiller werden und letztlich schuld daran sein will, dass ausser SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (58) nur Männer regieren. Gesetzt der Fall natürlich, dass auf Bundesrätin Doris Leuthard (55) ein CVP-Mann folgt und keine Frau. Zudem mache Schmid seine Nähe zum umstrittenen Bündner Unternehmer Remo Stoffel (41) angreifbar, wird im Bundeshaus bereits getuschelt.
Mut zum Einerticket
Wer also bleibt am Ende? Eigentlich niemand. Dieser Meinung sind auch Politiker aus anderen Parteien. SVP-Ständerat Hannes Germann (62) ruft die FDP offen dazu auf, mit der Kandidatensuche jetzt aufzuhören: «Habt den Mut für ein Einerticket!» Karin Keller-Sutter, basta.
Sie sei doch die ideale Kandidatin, findet Germann. Aufgrund ihrer Qualifikationen, des Geschlechts und ihres Wohnorts. «Mit einem Einerticket wird es eine würdige Wahl, und unnötige Spielchen werden gleich verunmöglicht.»
Mit der Wahl Keller-Sutters würde die FDP nach bald 30 Jahren nicht mehr nur Männer in der Regierung stellen. Bricht die FDP nun also auch mit der Sitte, stets eine Auswahl zu präsentieren?