In der FDP-Zentrale in Bern brach gestern Nervosität aus: In einem E-Mail an alle Fraktionsmitglieder bat Generalsekretär Samuel Lanz «eindringlich», vorerst auf Aussagen zur Bundesratswahl zu verzichten. Solche öffentlichen Äusserungen seien «nicht sinnvoll, sondern für die Fraktion und Partei kontraproduktiv».
Grund für den Maulkorb: BLICK hat den FDP-Parlamentariern vor dem Showdown am Freitag den Puls gefühlt. Dann entscheidet die FDP-Fraktion, mit wem sie in die Bundesratsschlacht ziehen will.
Das Warn-Mail kümmerte viele Freisinnige nicht. BLICK sprach mit 38 der 46 Fraktionsmitglieder – mehr als die Hälfte äusserten dabei ihre Präferenzen. Die meisten aber ohne namentlich erwähnt werden zu wollen.
Tendenz zum Zweierticket
Das Resultat: Von den drei Kandidaten Ignazio Cassis (56, TI), Isabelle Moret (46, VD) und Pierre Maudet (39, GE) muss am Freitag wohl einer über die Klinge springen. 17 Freisinnige sprechen sich nämlich für ein Zweier-Ticket aus.
Etwa Vizepräsident Christian Wasserfallen (36, BE): «Die Fraktion soll die zwei Besten nominieren.» Ähnlich sieht es Vize und Ständerat Andrea Caroni (37, AR): «Die Fraktion sollte eine Vorauswahl treffen.» Und Nationalrat Laurent Wehrli (52, VD) sagt: «Ich bin für ein Zweierticket mit einem Mann und einer Frau.»
Für ein Duo macht sich auch Nationalrat Walter Müller (69, SG) stark. Namen will er keine nennen, sondern nur so viel: «Gleichzeitig zwei Berner und zwei Waadtländer im Bundesrat, das wäre nicht verfassungskonform. Eine derartige regionale Übervertretung und gleichzeitig östlich von Zürich niemand im Bundesrat, geht nicht.» Eine klare Spitze gegen Moret.
Allerdings gibt es auch gewichtige Stimmen, die am Freitag niemanden vorzeitig ausschliessen und das Trio zuhanden der Bundesversammlung nominieren wollen. Zehn Parlamentarier sprechen sich für diese Strategie aus. Einer ist der Genfer Nationalrat Benoît Genecand (53): «Ich bin für ein Dreierticket, alle Kandidaten sind sehr gut.»
Moret und Maudet im Zweikampf
Sollte sich die Fraktion für ein Zweierticket entscheiden, ist Fraktionschef Cassis gesetzt. 22 Parlamentarier äusserten sich zu ihren Präferenzen – und alle wollen Cassis auf dem Ticket sehen. Mit seiner eigenen Stimme hat er die Hälfte der Fraktion bereits auf sicher.
Im Kampf um den zweiten Platz hat Moret die Nase derzeit noch vorn: Zehn Parlamentarier würden ihr den Ticketplatz geben – mit ihrer eigenen Stimme sind es elf. Sechs Freisinnige hingegen pochen auf Maudet.
Dem Parteifrieden zuliebe doch drei?
Der FDP droht also eine Zerreissprobe. Entweder übergeht die Fraktion die Frau oder den regierungserfahrenen Shootingstar. So oder so würde ein Lager als grosser Verlierer dastehen.
Es ist daher möglich, dass die FDP-Fraktion dem Parteifrieden zuliebe doch auf ein Dreierticket setzt. «Das ist dann das einzig Sinnvolle», sagt ein Nationalrat. «Wir müssen uns ja nicht selber grossen Schaden zufügen.»