Eine herzliche Umarmung, dann ein kurzer Wortwechsel. Pierre Maudet unterbricht das SRF-Interview, um Ignazio Cassis zu seiner Wahl in die Landesregierung zu gratulieren. Man nimmt es Maudet ab, dass er sich für den Tessiner freut.
Ein paar Sekunden später glänzen aber seine Augen. Der Genfer Staatsrat kann seine Enttäuschung nicht verbergen: «Ich gratuliere Ignazio, aber für mich ist das ein Misserfolg.» Und das, obwohl Maudet in beiden Wahlgängen mehr Stimmen geholt hat als Isabelle Moret. Die 90 Stimmen im Schlusswahlgang sind ein beachtliches Resultat.
«Eine gewisse Enttäuschung»
Denn der Genfer war als krasser Aussenseiter in den Wahlkampf gestartet. Maudet musste für die 90 Stimmen viele Hände schütteln, Unmengen an Gesprächen führen und zig Interviews geben, um es nur schon auf das offizielle Ticket der FDP zu schaffen.
«Eine gewisse Enttäuschung ist da, aber Niederlagen gehören dazu», fasst sich Maudet. In dieser intensiven Wahlkampagne habe er aber viel gelernt. Sowohl über sich selbst als auch über die Bundespolitik. Das lässt ihn zum Schluss kommen. «Ich habe grosses Vertrauen in die Fähigkeit unserer Behörden», lobt der Genfer.
Angesprochen darauf, dass er sich nun in Stellung gebracht hat für die nächste FDP-Vakanz, sagt Maudet lediglich: «Ich kann versichern, dass ich auch in zehn Jahren auf derselben Linie politisiere.» Er müsse schauen, ob, wann und wo es für ihn weitere Gelegenheiten gibt.
«Ich bin eine Pionierin»
Weniger enttäuscht, eher gelöst beantwortet Isabelle Moret die Fragen von SRF: «Es ist die Zeit des Tessins», sagt die Waadtländerin, welche im Schlusswahlgang nur 28 Stimmen bekam. Aber für das männerdominierte Parlament und wohl auch für ihre Partei habe die Frauenfrage derzeit nicht oberste Priorität, meint Moret.
Das Echo nach den Hearings sei grossmehrheitlich aber positiv gewesen, dass sie nun mit mehr Respekt für ihre Politik rechne. Mit ihrer Kandidatur wollte sie vor allem Frauen zur Politik ermutigen. Sie habe zeigen wollen, dass es möglich sei, schulpflichtige Kinder zu haben und gleichzeitig Politik zu betreiben: «Ich bin eine Pionierin.»
Heute Abend werde sie mit ihrer «Mannschaft» feiern und dieser für ihren unermüdlichen Einsatz im langen Wahlkampf danken. «Und morgen politisiere ich wieder in meinen Dossiers.» Darauf freue sie sich.
Gössi: Keine Alibi-Kandidaturen
«Unsere Strategie ist voll aufgegangen», freut sich auch FDP-Chefin Petra Gössi. Die frühe Entscheidung bereits im zweiten Wahlgang habe aber auch sie überrascht. Da Cassis das absolute Mehr (123) nur um zwei Stimmen übertroffen hat, spreche dafür, dass Pierre Maudet und Isabelle Moret klar keine Alibi-Kandidaturen waren, meint Gössi.
Die lebhaften Diskussionen im Vorfeld der Bundesratswahl haben bewiesen, dass die FDP der Bundesversammlung eine echte Auswahl vorgelegt habe, sagt die Parteipräsidentin weiter. Sie sei dankbar, «dass die Bundesversammlung unser offizielles Ticket respektiert hat».