Bundesratswahl 2019 – verdrängt Rytz Cassis?
Am Dienstag hat die GLP als erste Partei die grüne Bundesratskandidatin Regula Rytz (57) zum Hearing eingeladen.
Die Bernerin konnte ihren Auftritt vor der anderen grünen Partei offenbar kaum erwarten. Fünf Minuten zu früh tauchte sie vor dem Fraktionszimmer auf. Doch die Grünliberalen liessen die Grünen-Chefin rund drei Minuten vor der Türe warten, bis sie endlich von Tiana Moser (40) mit einem kurzen Handshake hereingebeten wurde.
Etwas mehr als eine Stunde später trat Moser vor die Medien und sagte, dass man noch nicht entschieden habe, ob Rytz oder FDP-Magistrat Ignazio Cassis (58) am Morgen des 11. Dezember die grünliberalen Stimmen erhalten werden. «Es gibt keinen Grund zur Eile», so die GLP-Fraktionschefin.
Rytz wirkt «sehr seriös und kompetent»
Rytz habe einen «sehr seriösen und kompetenten» Auftritt gehabt, lobte die Zürcherin. Man habe auch die Differenzen mit den Grünen – namentlich in der Europa- und der Sozialpolitik – diskutiert. Heute Mittwoch werde die neue GLP-Fraktion ein Gespräch mit Cassis führen, kündigte Moser an – um zugleich zu betonen: «Das ist kein Hearing, sondern ein gegenseitiger Austausch.» Es gehe darum, dass die neuen GLP-Fraktionsmitglieder den FDP-Aussenminister kennenlernen.
Für die Grünliberalen ist die Situation einigermassen vertrackt. Mit den Grünen haben sie eine grosse Einigkeit beim Klima- und Umweltschutz. In vielen anderen Fragen politisieren sie aber wesentlich näher bei der FDP als bei den Linksparteien.
Werden sie unter diesen Voraussetzungen tatsächlich bereit sein, einen FDP-Bundesrat abzuwählen? Eine allfällige Abwahl müsse gut überlegt und begründet sein, so die GLP-Fraktionschefin.
Stimmfreigabe für Bundesratswahl?
In einer ähnlichen Situation wie die nationale GLP war ihre Zürcher Sektion beim zweiten Ständeratswahlgang letzten November. Zur Auswahl standen Ruedi Noser (58, FDP) und Marionna Schlatter (39, Grüne). Die GLP beschloss Stimmfreigabe. Klar gewählt wurde der FDP-Mann. Nachwahlbefragungen zeigten: Noser erhielt auch fast alle GLP-Wählerstimmen. Hinter den Kulissen heisst es bereits, dass die GLP bei der Bundesratswahl ebenso Stimmfreigabe beschliessen könnte.
Unterstützung kann sich Rytz, die das Hearing als «offen, konstruktiv und intensiv» beschrieb, von der SP erhoffen. SP-Präsident Christian Levrat (49) spricht sich offen für die Abwahl Cassis aus – und versucht, die CVP unter Druck zu setzen.
Die CVP begehe «politischen Selbstmord», wenn sie Rytz nicht unterstütze, sagte er am Wochenende. CVP und SVP würden stets argumentieren, dass die Stabilität der Zauberformel Vorrang vor allem habe. Ergo werde die CVP 2023 ihren einzigen Sitz verlieren, droht Levrat, der im Frühling das Präsidium abgeben wird.
Alle bürgerlichen Fraktionen – CVP, FDP und SVP – zeigen Rytz die kalte Schulter und laden sie nicht einmal zum Hearing ein. Doch Bundesratswahlen haben ihre eigenen Gesetze. Bis nächsten Mittwoch werden hinter den Kulissen noch viele vertrauliche Gespräche geführt.