Heute wartete die «Aargauer Zeitung» mit einer Überraschung auf: Mit dem Plädoyer des aussichtsreichsten FDP-Bundesratskandidaten Ignazio Cassis (56) für die Legalisierung von Kokain. Gegenüber der Zeitung hielt der Tessiner FDP-Vertreter und Fraktionschef fest: «Ein regulierter Markt ist der beste Weg, um Drogenmissbrauch zu bekämpfen.» Nur so kenne und erreiche der Staat die Drogenkonsumenten und könne entsprechende Feinregulierungen machen (Blick berichtete).
Diese Aussage stösst die Hardliner in der Drogenpolitik bei der SVP vor den Kopf. Die Thurgauer Nationalrätin und strenge Drogengegnerin Verena Herzog (61) zeigte ihre Wut über die Aussage von Cassis auf Twitter.
Sie bezichtigt Cassis, diese Aussage zu machen, um bei den Linken auf Stimmenfang zu gehen. Die Wörter «schäbig» und «enttäuschend» sind unter Kollegen im Bundeshaus eher unüblich.
«Ich bin schockiert», sagt SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (63, AG) zu BLICK. Eigentlich wollte sich Giezendanner für Cassis einsetzen, doch jetzt macht er ein grosses Fragezeichen hinter dessen Kandidatur.
«Drogen-Legalisierer haben bei uns keine Chance! In der SVP verliert er damit zwei Drittel der Stimmen, die gehen nun zu Pierre Maudet – oder es gibt Stimmenthaltungen.» Maudet habe nun grossen Chancen, gewählt zu werden. Giezendanner sieht Kandidat Cassis jedenfalls arg geschwächt: «Seine Haltung zur Drogenfrage kann ihn die Wahl kosten.»
SVP-Geissbühler: «Alleine deswegen nicht unwählbar»
Zurückhaltender zeigt sich SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler (41, BE), die als Präsidentin des Verbands Drogenabstinenz Schweiz eine harte Linie vertritt. «Ich bin nicht begeistert von seiner extremen Haltung, aber ich will ihn auch nicht nur auf dieses Thema reduzieren», sagt sie. «Alleine deswegen ist er nicht unwählbar.» Sie wolle sich in den Anhörungen nun ein Gesamtbild über die Kandidaten machen, so Geissbühler. Erst danach werde sie entscheiden.
«Wir teilen Cassis' Haltung in dieser Frage sicher nicht», sagt auch SVP-Chef Albert Rösti (50). «Wir werden in den Hearings bestimmt noch nachhaken, wie er sich das vorstellt.» Die SVP wird bei den Anhörungen nach einem für alle gleichen Fragenkatalog vorgehen. Dann werden sich wohl auch die andern Kandidaten zur Drogenpolitik äussern müssen.
Ob die Legalisierungs-Position Cassis in der SVP schadet, will Rösti nicht beurteilen. Matchentscheidend dürfte es für die Parteispitze aber kaum sein. So hat Rösti schon früher betont, dass für die SVP die Europa- und Migrationspolitik die zentralen Themen seien.
CVP-Buttet: «Schlechter Einfluss auf unsere Jugend»
Trotzdem, Cassis könnte an Boden verlieren. Nicht nur in der SVP, sondern auch in der CVP. Nationalrat und Parteivize Yannick Buttet (40, VS) vertritt in Drogen-Frage eine strikte Linie und ist mit Cassis «absolut nicht einverstanden». Das werde Cassis sicher Stimmen kosten, ist Buttet überzeugt. «Ein Mann mit einer solchen Haltung im Bundesrat wäre kein gutes Signal. Er könnte einen schlechten Einfluss auf unsere Jugend ausüben.»
Buttet persönlich favorisiert Isabelle Moret. Cassis wäre seine zweite Wahl gewesen, doch jetzt könnte Maudet in den Vordergrund rücken, der wie Moret eine Legalisierung ablehnt.
Pfister lobt Cassis' Offenheit
Lockerer sieht es CVP-Chef Gerhard Pfister (54). «Ich bin zwar nicht seiner Meinung, aber er hat den Mut, seine Standpunkt offen zu vertreten», so der Zuger. «Das ist mir lieber, als wenn jemand seine Haltung kaschiert.»
Pfister geht nicht davon aus, dass Cassis deswegen gross Stimmen verliert oder gewinnt. «Bei diesem Kandidaten-Trio hat er faktisch noch immer die besten Chancen.»
FDP-Caroni nimmt Cassis in Schutz
Cassis sei schon immer für eine Drogenlegalisierung eingestanden, sagt FDP-Ständerat Andrea Caroni (37, AR) und nimmt den Tessiner in Schutz: «Es zeugt von Rückgrat, dass er sich als Bundesratskandidat nicht verbiegt und auch zu einer unpopulären Haltung steht. Das sollte ihm eigentlich Stimmen bringen.»