Der Fall von Bruno Zuppiger († 63) hat die Bundesratswahlen verändert. 2011 nominierte die SVP-Fraktion den Zürcher Nationalrat als ihren Kandidaten für die Gesamterneuerungswahlen der Landesregierung. Zuppiger sollte den Sitz von Eveline Widmer-Schlumpf (61, BDP) angreifen. Kurz nach der Nomination wurde bekannt, dass er das Erbe einer verstorbenen Mitarbeiterin veruntreut hatte. Seither überprüfen die Parteien ihre Bundesratskandidaten minutiös – jedes Detail kommt auf den Tisch.
Als mögliche Nachfolger von Didier Burkhalter (57) untersucht eine Prüfungskommission aus Ständerat Thomas Hefti (57, GL) und alt Ständerat Felix Gutzwiller (69, ZH) die drei Bewerber Ignazio Cassis (56, TI), Isabelle Moret (46, VD) und Pierre Maudet (39, GE). Am Freitag traf sich die Bundeshausfraktion der FDP in Neuenburg, um die Kandidaten für die Wahl vom 20. September zu nominieren. Dabei kam es, wie mehrere der anwesenden FDP-Exponenten gegenüber SonntagsBlick übereinstimmend berichten, zu einem pikanten Zwischenfall.
Hefti wies Moret bei ihrer Präsentation darauf hin, dass sie – wie zwischen der Prüfungskommission und ihr abgemacht – der Fraktion noch Angaben über ein laufendes Gerichtsverfahren machen müsse. Als Moret schwieg, informierte der Glarner Rechtsanwalt die National- und Ständeräte. Die Waadtländerin stehe gegenwärtig vor Bundesgericht – wegen eines Rechtsstreits mit ihrem Mann über Unterhaltszahlungen für ihre zwei Kinder. Bekannt ist, dass Moret und ihr Mann getrennt leben. Die Kinder der beiden sind im Alter von elf und sieben Jahren. Der Vater kümmere sich trotz der Trennung um sie, erklärte die Juristin in Interviews, als sie ihre Kandidatur bekannt gab.
Offensichtlich wollten Hefti und Gutzwiller kein Risiko ein- und sichergehen, dass die FDP-Exponenten auch diese Information kennen, bevor sie Moret grünes Licht geben, damit sie am 20. September in den Ring steigen kann.
Auf die Wahlchancen dürfte das kaum Einfluss haben
Die FDP-Politikerin Doris Fiala (60, ZH) stellt sich in ihrer Funktion als Präsidentin der FDP-Frauen klar hinter die Kandidatur ihrer Nationalratskollegin Moret: «Ich werde diese Indiskretion direkt aus unser Fraktionssitzung weder bestätigen noch dementieren.»
Dass die Partei ein aktives Risikomanagement betreibe und auch die privaten Seiten der Kandidaten durchleuchte, begrüsse sie zwar. «Ich stelle aber fest, dass jetzt offensichtlich mit harten Bandagen gekämpft wird.» Statt das Dreierticket voller Stolz zu verteidigen, betätigten sich nun einige als Brunnenvergifter.» Das bedaure sie zutiefst, es sei letztlich zum Schaden der Gesamtpartei. Moret selber möchte sich zum Sachverhalt nicht äussern.
So oder so: Auf ihre Wahlchancen dürfte die Causa keinen grossen Einfluss haben. In einem Land, in dem jede zweite Ehe geschieden wird, gehören Rechtsstreitigkeiten unter Eltern zum Alltag.
Klar ist aber auch: Der Fall Zuppiger hat die Parteien extrem vorsichtig gemacht. Ignazio Cassis sagte nach seinem Hearing gestern: «Es ist ein komisches Gefühl, wenn man von seiner Fraktion ausgefragt wird, als wäre man bei der Polizei.» Auch Moret wirkte extrem angespannt, als sie nach ihrer Befragung im Nobelhotel Beau-Rivage vor die Medien trat.
Gelöst wirkte hingegen der Genfer Regierungsrat Maudet. Er kann den Sieg für sich verbuchen, überhaupt als offizieller Kandidat der Freisinnigen ins Rennen um den Bundesratssitz zu gehen.
Favorit bleibt Ignazio Cassis
Die Charmeoffensive der letzten Wochen, durch die er seine Bekanntheit in Bundesbern zu steigern versuchte, hat offenbar gefruchtet. Ebenso wie seine überzeugenden Auftritte anlässlich der «Roadshow» der FDP. Bei der bekamen die Kandidaten eine Chance, sich in drei öffentlichen Anlässen zu präsentieren.
Maudets Zwischenerfolg hin oder her: Favorit für die Nachfolge von Didier Burkhalter bleibt allerdings – da sind sich die Beobachter derzeit einig – der Tessiner Ignazio Cassis.