Fulvio Pelli, Sie haben Tränen in den Augen ...
Ja, ich bin gerade sehr emotional. Das Tessin hat eine wichtige Rolle übernommen – endlich! Ich freue mich als Tessiner und als Freund von Ignazio.
Wie nahe stehen Sie sich persönlich?
Ignazio Cassis gehört zu meiner Nachfolgegeneration, und ich bin so froh, dass er sich damals entschieden hat, in die Politik zu gehen.
Das war vor rund zehn Jahren. Da haben Sie ihn überzeugt, als Nationalrat zu kandidieren. Er war damals Kantonsarzt.
Wir mussten neue Leute bringen, um sie zu profilieren. Und Ignazio hatte die Kompetenz. So haben wir ihn 2003 aufgestellt – und jetzt ist er Bundesrat! (lacht)
Hatten Sie damals schon im Kopf, er könnte der Tessiner Mann in der Landesregierung werden?
So langfristig kann man nicht planen. Ich habe immer versucht, neue Leute zu lancieren. Aber wir brauchten Chancen und ganz viel Glück, um so weit zu kommen, wie wir heute sind. Ignazio Cassis hat gezeigt, wie viel Lust er an der Politik hat, er hat sich seine Wahl redlich verdient, nicht ich.
Aber Sie waren der Strippenzieher im Hintergrund, er hat sich oft mit Ihnen beraten vor seiner Kandidatur.
Ich bin eine Person, die immer geholfen hat, wenn man mich um Rat gefragt hat.
Was muss Bundesrat Cassis jetzt angehen, damit die Tessiner mit ihm zufrieden sind? Was erwartet das Tessin von ihm?
Ignazio muss sich selbst bleiben und seine Ideen umsetzen. Seine Ideen und Positionen sind die der meisten Tessiner, und zwar unabhängig von den Parteifarben. Er ist Mitte rechts, aber vernünftig und sozial offen. Und er ist bereit, Kompromisse mit der Linken einzugehen, um den sozialen Bedürfnissen zu entsprechen. Die Tessiner erkennen sich wieder in Cassis.
Welche Dossiers soll er als Erstes anpacken, wenn es nach den Tessinern geht?
Als Bundesrat muss er zunächst das Departement annehmen, das die anderen ihm schenken. Das Gute ist, dass die Themen Gesundheit, Sozialpolitik und Migration mehrere Departemente betreffen. So kann er seine Rolle im Bundesrat spielen und endlich die Tessiner Bedürfnisse, Erfahrungen und Mentalität in diesem Gremium einbringen. Denn das war zu lange nicht mehr der Fall.