Ignazio Cassis (56) verspätet sich um fünf Minuten. Der Tessiner ist dann aber rasch bereit für den BLICK-Live-Talk.
Zur ersten Frage nach seinen Chancen am kommenden Mittwoch hält sich der Bundesratskandidat der FDP bedeckt: «In meiner Zeit im Parlament habe ich gelernt, dass bis zum Wahltag alles geschehen kann.» Man nenne die Nacht vor der Wahl nicht umsonst die Nacht der langen Messer.
Deshalb stelle er sich bewusst auch auf eine Nichtwahl ein. «Man muss sich mit beiden Varianten anfreunden können», sagt der Favorit für die Nachfolge von Didier Burkhalter. Das Leben gehe weiter – so oder so.
«Das Tessin hat keinen Anspruch»
Natürlich drängte sich die Frage auf, ob Cassis nur wegen seiner Tessiner Herkunft Bundesratskandidat geworden sei. Der Betroffene meint dazu überraschenderweise: «Das Tessin hat keinen Anspruch auf diesen Sitz.» In der Verfassung stehe, dass alle Regionen angemessen vertreten sein müssen. Der frei werdende Sitz gehöre der lateinischen Schweiz. Aber ob ein Kandidat der Romandie oder des Tessins diesen besetzen soll, lässt Cassis offen.
Auch dass er nicht die volle Unterstützung seines Kantons im Rücken hat, stört den Tessiner nicht: «Das ist üblich. Mir ist kein Bundesrat bekannt, bei dem das anders wäre.» Er trete in erster Linie als FDP-Vertreter und nicht als Tessiner an. Und nicht alle Leute teilten die Inhalte der Freisinnigen, so Cassis.
«Ich habe auch einmal gekifft»
Seine Drogenlegalisierungs-Beichte sorgte vor wenigen Tagen für einen grossen Aufschrei. Cassis spricht von einem Missverständnis: «Es gibt einen Unterschied zwischen legalisieren und liberalisieren. Ich will keine Kiosk-Lösung, wo man den BLICK, Ricola und Kokain kaufen kann. Ich verlange lediglich eine Reglementierung.» Der Präventivmediziner plädiert für eine kontrollierte Abgabe von harten Drogen an Abhängige, welche von Ärzten medizinisch betreut werden.
Er rechtfertigt die Idee mit den Erfahrungen aus der Heroinabgabe. «Heroin geben wir heute kontrolliert an Süchtige ab.» Die Abhängigen würden medizinisch betreut und in Richtung Entzug geführt. Sie erhielten ihre Dosis Heroin und müssten es nicht selbst kaufen. «Deshalb ist Heroin auf dem Schwarzmarkt fast kein Problem mehr», ist sich Cassis sicher.
Angesprochen darauf, ob er selber jemals Drogen konsumiert habe, gesteht Cassis: «Harte Drogen nicht. Aber in der Rekrutenschule habe ich einmal gekifft.» Die Erfahrung war für den Tessiner jedoch nicht berauschend. «Leider war es nicht gross anders, als eine Zigarette zu rauchen.»
Cassis hat seine Positionen gefunden
Welches Departement er denn am liebsten hätte, möchte eine Leserin wissen: «Ich lasse mich wirklich überraschen. Ich nehme jedes Departement», sagt Cassis. Ob es bei seiner Wahl in den Bundesrat zu einem Rechtsrutsch komme, kann Cassis nicht beantworten: «Ich bin gesellschafts- und wirtschaftsliberal. Mittlerweile bin ich 56 Jahre alt. Meine Positionen sind bezogen und bekannt.»
Das werde sich auch bei einer Wahl nicht ändern. Er gehe davon aus, dass sieben intelligente Personen am Bundesratstisch sitzen, die zuerst ihre Standpunkte darlegen, dann Beschlüsse fassen und schliesslich kollegial hinter diesen stehen.