Spätestens seit 2007 Christoph Blocher aus der Landesregierung abgewählt wurde, umweht eine geradezu mythische Aura die letzten Stunden vor der Entscheidung: Die Nacht der langen Messer!
Gegen 18.30 Uhr tritt Norman Gobbi aus dem Bundeshaus. Er wolle «ein wenig spazieren», sagt der Tessiner. Der Spaziergang fällt kurz aus. Auf direktem Wege schreitet Gobbi zum noblen Hotel Schweizerhof.
Dort, am Lobby-Anlass der Auto-Importeure, haben sich bereits etliche Politiker versammelt. «Norman, rührst du immer noch die Werbetrommel?», fragt ihn FDP-Nationalrat Walter Müller. Gobbi, seit über einer Woche in eigener Sache in Berns Gassen unterwegs, lächelt den Seitenhieb gelassen weg.
Etwas abseits steht SVP-Fraktionspräsident Adrian Amstutz. Er ist einer der wenigen mit einem Glas Wasser in der Hand. «Ich brauche morgen einen klaren Kopf», so Amstutz. Nervös sei er nicht. Die Partei biete mit drei guten Kandidaten eine Auswahl. Nun sei die Bundesversammlung an der Reihe.
Im Restaurant Kornhauskeller hat sich eine Handvoll Sozialdemokraten zum Abendessen versammelt. Der bevorstehenden Wahl eines zweiten SVP-Bundesrats begegnen sie mit einer gehörigen Portion Sarkasmus. «Am Nebentisch sitzen unsere fünf Sprengkandidaten», witzelt der Zürcher Nationalrat Martin Naef. Den Lega-Politiker Gobbi hat die SP für «unwählbar» erklärt. An wen ihre Stimmen gehen, wollen die SPler aber nicht verraten.
Je später der Abend, desto mehr Politiker strömen ins Hotel Bellevue, in direkter Nachbarschaft zum Bundeshaus. Im weihnächtlich geschmückten Saal treffen die drei Bundesratskandidaten Norman Gobbi, Guy Parmelin und Thomas Aeschi ein letztes Mal und betont freundlich aufeinander.
«Es läuft gut», sagt Aeschi knapp. Um 22 Uhr habe er seinen letzten Interview-Termin. Dann werde man sehen, was der Abend noch bringe.
Einzig BDP-Präsident Martin Landolt blickt etwas skeptisch. «Hier passiert kaum mehr etwas», sagt er. Seine erste Nacht der langen Messer habe er 2009 noch mit grosser Vorfreude angetreten. Er wurde enttäuscht: «Die meisten Journalisten und Politiker, die mir begegneten, waren mit der Zeit doch ziemlich betrunken», so der Glarner.