Die Luft für einen Sprengkandidaten gegen das offizielle SVP-Dreierticket ist dünn. So jedenfalls sind die Beschlüsse der Fraktionen zu interpretieren. Die Freisinnigen bestätigten gestern ihre Position, einen der von der SVP vorgeschlagenen Kandidaten als Nachfolger von Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) zu wählen. Auf einen Namen konnte sich die Fraktion aber nicht einigen. Der Zuger Thomas Aeschi dürfte am meisten FDP-Stimmen auf sich vereinen, auch weil er beim Hearing überzeugt hat.
In der Mitte scheint die Lust auf ein Störmanöver – als Protest gegen die umstrittene Ausschlussklausel der SVP – eher klein. Zwar gibt es in der CVP Sympathien für eine wilde Kandidatur, im Vordergrund steht SVP-Nationalrat Thomas Hurter (SH). Doch nur eine Minderheit will erneut einen Hosenlupf wagen. Der Beschluss der CVP-Fraktion: Stimmfreigabe für einen Kandidaten des offiziellen Trios – zumindest solange die SVP keine Spielchen treibt und plötzlich einen der offiziellen Kandidaten zurückzieht.
Stimmfreigabe fürs Dreierticket gilt auch bei BDP und GLP. Während bei den beiden Kleinparteien zu Beginn der Tessiner Norman Gobbi am meisten Stimmen erhalten dürfte, hat bei der CVP Guy Parmelin die Nase vorn.
Im Dilemma ist die SP. Sie hätte nur allzu gern einen ernsthaften Sprengkandidaten lanciert. Doch den Sozialdemokraten fehlen ermunternde Signale aus der Mitte. So stand SP-Chef Christian Levrat gestern nach der Fraktionssitzung etwas hilflos vor den Medien. Zu mehr als einem offiziellen Gobbi-Nein vermochten sich die Genossen noch nicht durchzuringen (siehe Interview unten). Über das definitive Vorgehen will die SP erst heute Morgen früh entscheiden.
Bei den Genossen stellt sich insbesondere die Frage, ob man ein Manöver mit einem Sprengkandidaten riskieren will – auf die Gefahr hin, dass dann doch der «eiserne Besen Blochers», wie manche Linke den Zuger Aeschi betiteln, das Rennen macht. Oder ob man nicht lieber doch Parmelin wählt und damit auf «Schadensbegrenzung» setzt, wie es ein SP-Parlamentarier ausdrückt.
Ein anderer Sozialdemokrat meint: «Lancieren wir einen Sprengkandidaten, der dann nur 55 Stimmen macht, machen wir uns lächerlich. Ein solches Cabaret können wir uns nicht leisten.»
Bei den Grünen gilt noch immer die offizielle Losung: Keine Stimme für die SVP! Zumindest im ersten Wahlgang. Dem Vernehmen nach bekommt zu Beginn eine CVP-Frau die grünen Stimmen. Welche, wollen sie heute Morgen früh an der Fraktionssitzung festlegen. Dann werden die Grünen aber ebenfalls bald mal auf einen SVP-Kandidaten umschwenken. Fehlt ein wilder Kandidat, hat auch hier Parmelin die Nase vorn.
Auch die SVP steckte noch einmal die Köpfe zusammen. Grosser Abwesender an der Fraktionssitzung: der potenzielle wilde Kandidat Hurter. Dieser liess sich gestern nicht aus der Reserve locken und wiegelte Journalistenfragen konsequent ab: «Ich sage nichts.»
So lässt er sich alle Optionen offen. Wartet Hurter heute die ersten Wahlrunden ab, um seine Chancen auszuloten?
Auch wenn Hurter zu Beginn Stimmen erhalten wird, für eine Wahl dürfte es nicht reichen. Auch Lega-Staatsrat Gobbi fehlt die entscheidende Hausmacht.
Damit dürfte sich das Rennen zwischen Aeschi – dem Wunschkandidaten der SVP-Leitung – und Parmelin entscheiden. Sehr wahrscheinlich mit dem besseren Ende für den konzilianten Waadtländer.Dank Mitte-Links. Dort scheint es zumindest einen gemeinsamen Nenner zu geben: Den Blocher-Zögling Aeschi will man nicht im Bundesrat haben. Vorteil Parmelin also – dennoch wird es heute Morgen spannend in Bern.