Ein Hype ist halt doch immer nur ein Hype. Alle Spekulationen über die grüne Bundesrätin nahmen am Mittwochvormittag ihr erwartetes Ende: Die Kandidatin Regula Rytz (57) fand über das links-grüne Lager hinaus keinen Anklang. Gegen den Tessiner FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (58) holte die Grünen-Präsidentin gerade mal 82 Stimmen.
Und zwar aus zwei Gründen:
Zum einen gehört Stabilität zur DNA des Bundesrats. Die Landesregierung passt ihre Zusammensetzung seit jeher mit Verzögerung an die Resultate von Parlamentswahlen an. Die SP erzielte in den 1920er- und 1930er-Jahren oft das beste Ergebnis an den Urnen, zog aber erst 1943 in den Bundesrat ein. Auch die SVP musste jahrelang auf ihren zweiten Sitz warten, der ihr rein rechnerisch längst zustand.
Zum anderen gleisten die Grünen ihre Bundesratskampagne seltsam unentschieden auf, manche sagen sogar: dilettantisch. Sie versäumten es, den Schwung des Wahltags in entschlossenes, rasches, zielbewusstes Handeln umzusetzen.
So endete ihr Kampf um die Macht im Land zwar mit einem dürftigen Resultat, aber mit einem guten Ergebnis für die Schweiz: Schliesslich haben Bundesräte den Auftrag, ihr Amt über längere Zeit zu versehen, möglichst unbeeinflusst von kurzfristigen Trends und Moden – weshalb seit 1848 auch erst vier von ihnen abgewählt wurden.
Und doch wird der 11. Dezember 2019 nicht ohne Folgen bleiben.
Denn die Schweiz verdankt ihre Stabilität nicht zuletzt der Tatsache, dass alle relevanten Kräfte in der Regierung vertreten sind. Können die Grünen bei den Wahlen 2023 beweisen, dass ihr Erfolg von Dauer ist, sollten sie in den Bundesrat einziehen.
Auf wessen Kosten, ist allerdings eine andere Frage.
Die FDP wird der SP nicht verzeihen, dass sie im Angriff auf den freisinnigen Bundesrat Cassis eine Grüne unterstützt hat. Sie wird sich früher oder später dafür rächen, dass die Sozialdemokratien damit ausgerechnet eine Partei attackiert haben, mit der sie zwar in vielen Fragen uneins ist, die sich in der neueren Geschichte jedoch stets für eine angemessene Vertretung der Genossen eingesetzt hat.
Die bürgerliche Mehrheit könnte dann folgende Rechnung machen: Rein arithmetisch haben SP und die Grünen Anspruch auf 2,1 Sitze – ein grüner Bundesrat auf Kosten der Sozialdemokraten wäre demnach folgerichtig.
Kurzfristig aber zählt etwas völlig anderes: Dass die National- und Ständeräte jetzt vier Jahre lang ihre Arbeit machen können und nicht in einen Dauer-Bundesratswahlkampf verfallen.
Probleme haben sie genug zu lösen!