BLICK erklärt die Bundesratswahl: Was die Parteien sagen – und was sie damit wirklich meinen
Behalten Sie einen klaren Klopf!

Wer beerbt den Sitz von FDP-Bundesrat Didier Burkhalter? Da haben viele mitzureden – und jeder hat so seine ganz eigenen Wahrheiten.
Publiziert: 17.07.2017 um 23:42 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 04:18 Uhr
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Ignazio Cassis gilt als Kronfavorit für die Nachfolge von …
Foto: GABRIELE PUTZU
Cinzia Venafro und Matthias Halbeis

Cassis, Cassis, Cassis: Für die Nachfolge von Didier Burkhalter (57) ist offiziell erst der Tessiner FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis (56) nominiert. Alleine wird er nicht bleiben: In der Romandie formieren sich Kandidaten. Und der Ruf nach einer dritten Frau im Bundesrat wird lauter. Die Zeit des Taktierens und Redens mit gespaltener Zunge hat begonnen. BLICK erklärt, wer was fordert – und was wirklich dahintersteckt.

Sie sagen: Es muss ein Tessiner sein.

Sie meinen: Der CVP-Sitz muss in der Deutschschweiz bleiben. 

Team Boccalino: CVP

Wer Rotwein mag, legt sich einen Vorrat an. Die Mittepartei CVP denkt darum bei der Nachfolge von FDP-Bundesrat Didier Burkhalter schon an übermorgen: Wenn sie ihre im Volk beliebte Bundesrätin Doris Leuthard (54) ersetzen soll, hat sie dafür gute Kandidaten in der Deutschschweiz: Die Ständeräte Pirmin Bischof (58, CVP/SO) und Konrad Graber (58, CVP/ LU) schielen auf das Amt. Allenfalls auch Parteipräsident Gerhard Pfister (54, CVP/ZG). Doch nur wenn die Wirtschaftspartei FDP jetzt einen Tessiner in den Bundesrat schickt, bleiben der CVP bei der Leuthard-Nachfolge in der Deutschschweiz alle Optionen offen. Auffallend: Aus «staatspolitischen Gründen» fordern Einzelne sogar zwei Tessiner FDP-Kandidaten. Kommt nämlich für Burkhalter niemand aus dem Südkanton nach Bern, wäre der streitbare Ständerat Filippo Lombardi (61, derzeit CVP-Fraktionschef) in der Pole-Position – weit und breit der einzige Tessiner CVPler mit Bundesrats-Ambitionen. Dessen Tessiner Parteikollege, Nationalrat Marco Romano (34), sagte kurz nach Burkhalters Rücktritt zu BLICK: «Eine Partei mit nur einem Bundesrat sollte einen Deutschschweizer stellen.» Daran wird Lombardi keine Freude haben.

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Sie sagen: Für Burkhalter muss eine Frau in den Bundesrat.

Sie meinen: Mit Cassis kippt die Mehrheit nach rechts.

Team Cüpli: SP, GLP, Grüne

Die Strategie ist prickelnd wie ein Glas Prosecco, der Abgang könnte flach sein. FDP und SVP stellen zwar die Mehrheit in der Landesregierung. Trotzdem stimmte der Gesamtbundesrat in der aktuellen Legislatur manchmal auch Mitte-links. So etwa für Lohnkontrollen und Frauenquoten. Darum ist die Feminismus-Forderung von SP-Präsident Christian Levrat (47) vorgeschoben. Sein Machtkalkül: Die Person, die Burkhalter ersetzt, soll so progressiv wie möglich sein. Wunschkandidatinnen der SP sind somit FDP-Frauen aus der Romandie wie die Waadtländerinnen Isabelle Moret (46) und Jacqueline de Quattro (57) oder Ex-Regierungsrätin Laura Sadis (56) aus dem Tessin. Alle drei politisieren eher am linken, gesellschaftsliberalen Rand der Freisinnigen. Aggressiv für eine Frau weibelt auch die GLP. Deren neuer Präsident Jürg Grossen (47) sagte, wohl aus den gleichen Gründen wie Levrat, im BLICK sogar: «Lieber eine Frau als ein Tessiner.»

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Sie sagen: Wir akzeptieren nur einen Rechten – egal, woher er kommt.

Sie meinen: FDPler sind alle zu links – Cassis ist das kleinste Übel.

Team Schnaps: SVP, Lega

Ihre Strategie ist so durchsichtig wie ein Klarer: Die SVP will eine rechte Mehrheit im Bundesrat. Schliesslich hat sie die letzten Wahlen gemeinsam mit der FDP gewonnen. FDP-Bundesrat Didier Burkhalter stand dem aber immer wieder im Weg. Darum schossen sie aus allen Rohren auf den Aussenminister – beispielsweise mit der Kürzung der Entwicklungshilfegelder. Hinzu kommt: Die SVP will einen FDPler im Bundesrat, der sich gegen ein Rahmenabkommen zu den bilateralen Verträgen mit der EU stellt. In der SVP-Sprache klingt das so: «Wir möchten einen FDP-Aussenminister, der sich gegen fremde Richter stellt», sagte SVP-Präsident Albert Rösti (49) gegenüber BLICK. SVP-Hardliner Walter Wobmann (59/SO) geht noch weiter: «Wir erwarten von der FDP natürlich eine Auswahl.» Der Druck von rechts auf die FDP wird garantiert weiter steigen.

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Sie sagen: Es muss ein Lateiner sein.

Sie meinen: Cassis bringt eine rechte Mehrheit im Bundesrat. 

Team Weisswein: FDP, SVP

Es ist eine Strategie wie beim Weisswein: Man trinkt immer mehr und wird übermütig. Sie sei eine rechte Partei und wolle bürgerliche Politik in den Bundesrat tragen. Mit dieser Aussage trat die FDP bei den Wahlen 2015 an. Doch im Bundesrat drangen die Freisinnigen nicht durch – vielfach auch wegen ihres eigenen Didier Burkhalter (57). Vielen FDPlern war der Neuenburger zu progressiv. Sie rieben sich die Augen, als der Gesamtbundesrat der Altersreform 2020 zustimmte. Ihr Burkhalter musste Ja votiert haben. Jetzt muss die FDP die Vorlage bekämpfen, über die am 21. September abgestimmt wird. Doch ganz so einfach lässt sich ein rechter Bundesrat nicht herbeiführen. FDP Waadt und Genf haben den Traum vom eigenen Bundesrat noch nicht ausgeträumt und werden Anspruch stellen. Offen kann das die Rennleitung nicht ablehnen, obschon sie einen FDP-Vertreter aus der Romandie nicht bevorzugt: Diese politisieren eher in der Mitte bis am linken Rand der Partei. Resultat: Man hat sich auf die Bezeichnung «Lateiner» geeinigt. Wohlwissend, dass einzig Ignazio Cassis im Bundesrat eher auf einer Linie mit Johann Schneider-Ammann (65) und den beiden SVP-Vertretern stimmen würde. 

Der Einzelkandidat

Ignazio Cassis ist bisher der Einzige, der Didier Burkhalter im Bundesrat beerben will. Der 56-Jährige ist im Dorf Sessa an der Grenze zu Italien geboren und aufgewachsen. Er studierte Medizin an der Universität Zürich und arbeitete später als Tessiner Kantonsarzt. Seit 2007 politisiert er für die FDP im Nationalrat – vornehmlich als Gesundheitspolitiker. Cassis ist kinderlos verheiratet und wohnt mit seiner Frau in Montagnola bei Lugano TI.

Ignazio Cassis ist bisher der Einzige, der Didier Burkhalter im Bundesrat beerben will. Der 56-Jährige ist im Dorf Sessa an der Grenze zu Italien geboren und aufgewachsen. Er studierte Medizin an der Universität Zürich und arbeitete später als Tessiner Kantonsarzt. Seit 2007 politisiert er für die FDP im Nationalrat – vornehmlich als Gesundheitspolitiker. Cassis ist kinderlos verheiratet und wohnt mit seiner Frau in Montagnola bei Lugano TI.

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