Sie seien Lohnknechte der Psychiater, klagten Psychotherapeuten – also Fachpersonen ohne Medizinstudium – seit Jahren. Jetzt will der Bundesrat Abhilfe schaffen. Die Landesregierung schlägt einen Systemwechsel vor: «Künftig sollen psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ihre Leistungen selbstständig im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erbringen können.»
Voraussetzung sei eine entsprechende Qualifikation, eine Berufsausübungsbewilligung des Kantons sowie die Anordnung der Psychotherapie durch eine Ärztin oder einen Arzt, schreibt das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) von SP-Bundesrat Alain Berset (47) in einer Mitteilung. Das EDI verweist dabei auf die Physiotherapie, wo dies ebenfalls der Fall ist.
Nur unter Aufsicht eines Psychiaters
Heute werden die Leistungen der Psychologinnen und Psychologen von der Krankenkassen-Grundversicherung (OKP) nur dann übernommen, wenn sie unter Aufsicht und in den Räumlichkeiten eines Arztes erbracht werden. Dieses sogenannte Delegationsmodell beruht auf einem Entscheid des Bundesgerichts und war als Übergangslösung gedacht, bis eine national harmonisierte Aus- und Weiterbildung der Psychologen vorhanden ist.
Durch die Umstellung vom Delegationsmodell auf das sogenannte Anordnungsmodell «können Versorgungsengpässe bei Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen in Krisen- und Notfallsituationen reduziert werden», so der Bundesrat.
Schnellere Hilfe möglich
Die Anordnung durch den Hausarzt ermögliche einen einfacheren und früheren Zugang zur Psychotherapie als die bisher erforderliche vorgängige Konsultation bei einer Fachärztin oder eines -arztes für Psychiatrie und Psychotherapie. Langzeittherapien könnten dadurch vermindert werden.
Psychische Störungen sind keine Randerscheinungen, wie der Bundesrat betont. Bei bis zu einem Drittel der Schweizer Bevölkerung würde eine psychische Krankheit eintreten. Am häufigsten sind Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen.
Mehrkosten von 100 Millionen pro Jahr
Damit es nicht zu einer Kosten-Explosion kommt, schlägt der Bundesrat eine Beschränkung vor: Pro ärztliche Anordnung sind maximal 15 Sitzungen möglich. Mehrkosten aber sind unumgänglich: Aufgrund von Schätzungen geht die Landesregierung davon aus, dass heute privat bezahlte Leistungen im Umfang von rund 100 Millionen Franken künftig über die Krankenkasse abgerechnet werden.
Das EDI rechnet längerfristig mit einem leichten Anstieg der Anzahl Patienten. Um die Auswirkungen der Neuregelung auf die Kosten zu überwachen und falls nötig eine Anpassung der Regelung vorzunehmen, sollen ein Monitoring über die nächsten Jahre sowie eine Evaluation durchgeführt werden. (vfc)