Bundesrat will Waffen-Exporte erleichtern
Bewahrt uns vor dieser Schande!

Der Bundesrat will der heimischen Rüstungsindustrie das Geschäften erleichtern: Schweizer Waffen sollen in Bürgerkriegsländer exportiert werden. Heute muss die Sicherheitspolitische Kommission Farbe bekennen, ob sie ihren Segen dazu geben will.
Publiziert: 30.08.2018 um 01:44 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 21:57 Uhr
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Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann hat die Klagen der Rüstungsindustrie erhört: Künftig sollen sie Waffen auch in Länder liefern dürfen, in denen Bürgerkrieg herrscht.
Foto: Keystone
Sermîn Faki

Wenn die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SiK-S) heute zu ihrer letzten Sitzung vor der Herbstsession zusammentritt, steht ein heikles Geschäft auf der Traktandenliste.

Der Bundesrat will Artikel 5, Absatz 2, Buchstabe a der KMV anpassen. Was langweilig-bürokratisch wie Routine daherkommt, die in irgendeiner Berner Amtsstube noch vor der Kaffeepause erledigt wird, hat gewaltiges Sprengpotenzial – im wahrsten Sinne des Wortes.

Schweizer Waffen in Bürgerkriegen

Denn hinter dem Bürokratie-Kürzel KMV steht die Kriegsmaterialverordnung. Und der Artikel besagt, dass die Schweiz keine Waffen in Länder liefert, wenn «das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist».

Auf Druck der Schweizer Rüstungsindustrie, die gern mehr Geld verdienen würde, will der Bundesrat das nun anpassen: «Unter gewissen Umständen» soll es möglich sein, Kriegsmaterialausfuhren in Länder, «die in einen internen bewaffneten Konflikt verwickelt sind, zu bewilligen». Oder deutsch und deutlich: in Länder, in denen Bürgerkrieg herrscht.

Mehr Waffen in die Türkei, nach Saudiarabien und Mexiko

Um welche Länder es konkret geht, lässt sich im Vorfeld kaum sagen. Geregelt ist Folgendes:

  • In 25 Länder darf ohne Bewilligung exportiert werden. Dazu gehören die meisten europäischen Staaten, aber auch die USA, Australien oder Japan.
  • In 21 Länder darf gar nichts geliefert werden: Sie stehen nämlich auf Sanktionslisten der Uno oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Dazu gehören zum Beispiel Syrien, Myanmar, Libyen, Jemen. Solange es hier Sanktionen gibt, werden Schweizer Waffen den Weg dorthin nicht finden – jedenfalls nicht offiziell. Skandale, in denen es doch so kam, gibt es genügend (siehe Box).
  • Für alle anderen Länder gilt: Die exportwillige Rüstungsfirma muss beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ein Gesuch stellen. Dieses wird von Seco und Aussendepartement bewilligt oder nicht. In besonders umstrittenen Fällen kommt das Geschäft sogar vor den Gesamtbundesrat.

In diesem grossen Rest der Weltkarte liegt der Bereich, in dem der Bundesrat die KMV anpassen will. Kritiker der Lockerung befürchten vor allem, dass die Türkei, in die laut Seco seit 1992 nur noch Ersatzteile für früher geliefertes Kriegsmaterial exportiert wurden, wieder im grossen Umfang zum Zug kommen soll – trotz angespannter Situation nach dem Putschversuch 2016 und des Konflikts mit der Kurdenmiliz PKK und obwohl die Türkei mit dem Einmarsch in die syrische Region Afrin dort Bürgerkriegspartei ist.

Auch nach Saudiarabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate würden Schweizer Rüstungshersteller gern noch mehr liefern als heute schon. Weitere Märkte in instabilen Staaten wie Mexiko, Honduras, Philippinen, Mali warten.

Bundesrat sagt schon jetzt weniger oft Nein

Bis jetzt hat der Bundesrat viele Exporte in diese Staaten abgelehnt. 2017 sagte er Nein zu 16 von 2677 Gesuchen. Weniger als früher: 2016 verweigerte er sich fast doppelt so häufig, oft mit Verweis auf den strittigen Artikel 5, Absatz 2 Buchstabe a.

Zu oft für die Schweizer Waffenschmieden. Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats hat dem Wunsch der Rüstungsindustrie kürzlich wie der Bundesrat nachgegeben und die Lockerung befürwortet – mit den Stimmen von FDP und SVP, die eine Mehrheit in der Kommission haben. Nun kommt es auf die ständerätliche Kommission an, in der FDP und SVP alleine keine Mehrheit haben.

Vier CVPler entscheiden

Und so entscheiden vier Männer, die das C in ihrem Parteinamen haben: Die vier Christdemokraten Isidor Baumann (62, UR), Jean-René Fournier (60), Erich Ettlin (56, OW) und Peter Hegglin (57, ZG) geben den Ausschlag, ob sich die Schweiz wieder ein kleines Stückchen mehr von ihrem Selbstverständnis als Hort der Menschenrechte und Förderin des Friedens verabschiedet.

Ihr Parteichef Gerhard Pfister (55) hat ihnen eigentlich die Marschrichtung vorgegeben: Es sei «unnötig, die Exportmöglichkeiten weiter auszudehnen», sagte der CVP-Chef kürzlich im BLICK-Interview. Heute wird sich weisen, ob sein Wort in Gottes Ohr gelandet ist oder auch in denen seiner Ständeräte.

Skandale mit Schweizer Waffen

Schweizer Waffen landeten immer wieder an Orten, an die sie nicht hingehören. Der wohl grösste Rüstungsskandal betrifft die ehemalige Waffenschmiede Oerlikon-Bührle. 1963 lieferte sie trotz Uno-Embargo Waffen nach Südafrika. Höchste Bundesbeamte hatten Tipps gegeben, wie das Verbot zu umgehen sei.

1968 lieferte Bührle illegal Kanonen nach Nigeria, das in einen Bürgerkrieg in der Provinz Biafra verwickelt war. Während die Schweizer Geld für die hungernden Kinder in Biafra sammelten, beschossen Bührle-Kanonen Flugzeuge des IKRK.

Auch Pilatus-Flugzeuge gelangen immer wieder in falsche Hände. 2008 tauchte im Tschad eine mit Waffen bestückte PC-9 des Stanser Unternehmens auf, die ursprünglich als Trainingsflugzeug verkauft worden war und vermutlich im Darfur-Konflikt eingesetzt wurde.

Und selbst in Syrien tauchen immer wieder Schweizer Waffen auf. Vor wenigen Jahren bewiesen Fotos, dass die Rebellen im Besitz von Handgranaten des bundeseigenen Rüstungskonzerns Ruag waren. Diese waren via die Vereinigten Arabischen Emirate dorthin gelangt.

Schweizer Waffen landeten immer wieder an Orten, an die sie nicht hingehören. Der wohl grösste Rüstungsskandal betrifft die ehemalige Waffenschmiede Oerlikon-Bührle. 1963 lieferte sie trotz Uno-Embargo Waffen nach Südafrika. Höchste Bundesbeamte hatten Tipps gegeben, wie das Verbot zu umgehen sei.

1968 lieferte Bührle illegal Kanonen nach Nigeria, das in einen Bürgerkrieg in der Provinz Biafra verwickelt war. Während die Schweizer Geld für die hungernden Kinder in Biafra sammelten, beschossen Bührle-Kanonen Flugzeuge des IKRK.

Auch Pilatus-Flugzeuge gelangen immer wieder in falsche Hände. 2008 tauchte im Tschad eine mit Waffen bestückte PC-9 des Stanser Unternehmens auf, die ursprünglich als Trainingsflugzeug verkauft worden war und vermutlich im Darfur-Konflikt eingesetzt wurde.

Und selbst in Syrien tauchen immer wieder Schweizer Waffen auf. Vor wenigen Jahren bewiesen Fotos, dass die Rebellen im Besitz von Handgranaten des bundeseigenen Rüstungskonzerns Ruag waren. Diese waren via die Vereinigten Arabischen Emirate dorthin gelangt.

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