Anders als bei uns kennen in der Europäischen Union die Staaten kein Pardon, wenn Zugreisende verspätet ankommen. Sie verpflichten die Bahnunternehmen, ihren Kundinnen und Kunden ziemlich viel Geld zurückzuerstatten. Jetzt will der Bund laut «NZZ» die EU- Standards bei den Passagierrechten definitiv übernehmen. Dazu werde nach den Sommerferien eine revidierte Fassung des Personenbeförderungsgesetzes in die Vernehmlassung geschickt, sagte Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), unlängst in der Zeitung «Le Temps».
Liegt die Verspätung innerhalb einer und zwei Stunden, muss mindestens ein Viertel des Billettpreises zurückerstattet werden. Beträgt die Verzögerung des Zuges mehr, sollen die Firmen den betroffenen Passagieren mindestens die Hälfte des Ticketpreises zurückzahlen. Die Regel gilt grundsätzlich für alle Verbindungen. Ausnahmen sind möglich für Züge im nationalen Fernverkehr sowie im regionalen und städtischen Verkehr. Von dieser Möglichkeit machen die Mitgliedsländer rege Gebrauch, wie ein Bericht der EU-Kommission vom März 2015 zeigt. Lediglich Dänemark, Italien, die Niederlande und Slowenien würden die seit Ende 2009 geltende Verordnung uneingeschränkt anwenden.
Die Revision ist Teil der Vorlage zur künftigen Organisation der Bahninfrastruktur, deren Eckwerte der Bundesrat 2014 festgelegt hatte. Der Bundesrat möchte die EU-Regeln für den internationalen und den Fernverkehr in die Schweizer Gesetzgebung übernehmen, wie es beim BAV heisst. Die SBB sind allerdings nicht begeistert von den Plänen des Bundesrats. Sie bevorzugen freiwillige Branchenlösungen anstelle eines regulierten und starren Ansatzes, wie Sprecherin Lea Meyer sagt. Die SBB setzen heute auf ein freiwilliges Kulanzsystem. Im Fernverkehr erhalten Passagiere bei einer Verspätung ab einer Stunde vom Zugpersonal einen Bahngutschein von 10 Franken (15 Franken in der 1. Klasse). Seit Juli 2014 verteilen die SBB die Gutscheine auch dann, wenn die Verspätung - wie bei Unwettern oder Streiks - nicht selbstverschuldet ist. (mha)