Vor 1844 Tagen begannen die Verhandlungen um ein Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Gestern entschied der Bundesrat: Er möchte weiter verhandeln.
Das Wort «Nachverhandlungen» vermeidet der Bundesrat in seinem Schreiben an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (64) zwar. Aussenminister Ignazio Cassis (58) sprach auch an der Pressekonferenz nur von «Dialog», von «Präzisierungen» und von «offenen Punkten, die geklärt werden müssen».
Keine Lösung - kein Deal
Die gibt es in drei Bereichen: beim Lohnschutz, den staatlichen Beihilfen und der Unionsbürgerrichtlinie. «Wenn in diesen Bereichen eine Lösung gefunden wird, unterzeichnet der Bundesrat das Abkommen», so Cassis, der auch den Umkehrschluss bestätigte: Wird keine Lösung gefunden, ist das Abkommen tot.
Auch der Brief an Juncker ist für diplomatische Verhältnisse überaus klar verfasst: Die drei umstrittenen Elemente im Abkommen seien «in der vorliegenden Form nicht mehrheitsfähig», heisst es klipp und klar.
Dies sagte auch SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (59). «Das Abkommen kann in der heute vorliegenden Version nicht unterzeichnet werden.» Nicht zuletzt, weil es auch an der Urne keine Chance hätte. «In der Schweiz sitzt das Volk mit am Verhandlungstisch.»
Wieviel drinliegt, ist fraglich
Ob die Schweiz die problematischen Passagen im Abkommen tatsächlich noch rausbringt oder abschwächen kann, ist fraglich. Der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn (61) habe ihm am Telefon zugesichert, dass die EU für Klarstellungen zu haben sei, gab sich Cassis optimistisch.
Substanzielle Zugeständnisse von Seiten der EU, welche die Verhandlungen als abgeschlossen betrachtet, sind jedoch nicht zu erwarten. Auch wenn diese in einer ersten Reaktion gestern gute Miene zum bösen Schweizer (Verzögerungs)-Spiel machte und die «im Grossen und Ganzen positive Entwicklung» lobte.
In der Schweiz sind alle glücklich
Positiv sind die Reaktionen in der Schweiz. SVP und Gewerbeverband sind glücklich, dass nicht unterschrieben wird. SP und Gewerkschaften loben den Versuch, beim Lohnschutz Verbesserungen herauszuholen. Die FDP, die am liebsten eine Unterschrift unter dem Dokument gesehen hätte, jubelt über das «deutlich positive Signal an die EU». Auch die CVP spricht von einem «wichtigen Zeichen an die EU».
Priorität bei den «Präzisierungen» hat für den Bundesrat der Lohnschutz. Dieser bleibt der entscheidende Stolperstein. Wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter (55) sagte, müsse man sich jetzt zuerst in der Schweiz einigen, was es beim Lohnschutz genau braucht. Ziel ist es, SP und Gewerkschaften wieder ins Boot zu holen.
Dann will der Bundesrat nochmals nach Brüssel pilgern. Um nach der erhofften Ablehnung der neuen SVP-Zuwanderungs-Initiative durch das Volk das Rahmenabkommen 2020 endlich zum Abschluss zu bringen.
Der Bundesrat unterschreibt das Rahmenabkommen (noch) nicht, weshalb die EU ihre Drohung wahr machen und die Börsenäquivalenz Ende Monat auslaufen lassen könnte. Das bedeutet: Aktienhändler und Investoren aus dem EU-Raum werden vom Schweizer Handelsplatz abgeschnitten. Investoren, die etwa in Paris sitzen, können keine Aktien mehr an der Schweizer Börse SIX kaufen und verkaufen.
Es wäre ein Schlag für den hiesigen Finanzplatz. Finanzminister Ueli Maurer (68) hat diesen auf die EU-Vergeltung bereits vorbereitet: Notfalls soll Notrecht gelten! Der Plan: Die Schweiz würde im Gegenzug die EU-Börsen ebenfalls nicht mehr anerkennen. Die Folge: Wenn ein EU-Aktienhändler attraktive Papiere von Schweizer Firmen handeln will, müsste er dies zwingend an der Zürcher Börse tun oder ausserhalb Europas - in New York, Singapur, Hongkong.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter (55) bleibt optimistisch: «Der Bundesrat erwartet von der EU, dass die Börsenäquivalenz verlängert wird», sagte sie gestern. Die Entscheide der Regierung seien «klare Bekenntnisse zum bilateralen Weg und ein Zeichen des guten Willens».
Der Bundesrat unterschreibt das Rahmenabkommen (noch) nicht, weshalb die EU ihre Drohung wahr machen und die Börsenäquivalenz Ende Monat auslaufen lassen könnte. Das bedeutet: Aktienhändler und Investoren aus dem EU-Raum werden vom Schweizer Handelsplatz abgeschnitten. Investoren, die etwa in Paris sitzen, können keine Aktien mehr an der Schweizer Börse SIX kaufen und verkaufen.
Es wäre ein Schlag für den hiesigen Finanzplatz. Finanzminister Ueli Maurer (68) hat diesen auf die EU-Vergeltung bereits vorbereitet: Notfalls soll Notrecht gelten! Der Plan: Die Schweiz würde im Gegenzug die EU-Börsen ebenfalls nicht mehr anerkennen. Die Folge: Wenn ein EU-Aktienhändler attraktive Papiere von Schweizer Firmen handeln will, müsste er dies zwingend an der Zürcher Börse tun oder ausserhalb Europas - in New York, Singapur, Hongkong.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter (55) bleibt optimistisch: «Der Bundesrat erwartet von der EU, dass die Börsenäquivalenz verlängert wird», sagte sie gestern. Die Entscheide der Regierung seien «klare Bekenntnisse zum bilateralen Weg und ein Zeichen des guten Willens».
Juncker und Co. wollen, dass die Schweiz den Lohnschutz übernimmt, der in der EU gilt. Die Linken und Gewerkschaften, aber auch die Arbeitgeber sind grundsätzlich dagegen, dieses zentrale Thema nach Brüssel zu delegieren. Auch weil der EU-Lohnschutz schon heute nicht so umfassend geregelt ist, wie die flankierenden Massnahmen, welche die Schweiz mit der Personenfreizügigkeit eingeführt hat.
Der Entwurf des Rahmenabkommens gewährt der Schweiz zwar Ausnahmen, ob diese aber bei einer allfälligen Beschwerde vor Gericht Bestand hätten, ist fraglich. Sicher wäre: Eine ausländische Firma müsste sich nur noch vier statt acht Tage vor Ausführung einer Arbeit anmelden. Kontrollen müssten reduziert werden und eine Kaution dürfte nur noch bei jenen Firmen eingetrieben werden, die bereits einmal Verstösse begangen und ihre Bussen nicht bezahlt haben.
Für den Bundesrat ein No-Go. Im Brief an Juncker heisst es, der Lohnschutz müsse «auf dem in der Schweiz geltenden Niveau» garantiert werden.
Juncker und Co. wollen, dass die Schweiz den Lohnschutz übernimmt, der in der EU gilt. Die Linken und Gewerkschaften, aber auch die Arbeitgeber sind grundsätzlich dagegen, dieses zentrale Thema nach Brüssel zu delegieren. Auch weil der EU-Lohnschutz schon heute nicht so umfassend geregelt ist, wie die flankierenden Massnahmen, welche die Schweiz mit der Personenfreizügigkeit eingeführt hat.
Der Entwurf des Rahmenabkommens gewährt der Schweiz zwar Ausnahmen, ob diese aber bei einer allfälligen Beschwerde vor Gericht Bestand hätten, ist fraglich. Sicher wäre: Eine ausländische Firma müsste sich nur noch vier statt acht Tage vor Ausführung einer Arbeit anmelden. Kontrollen müssten reduziert werden und eine Kaution dürfte nur noch bei jenen Firmen eingetrieben werden, die bereits einmal Verstösse begangen und ihre Bussen nicht bezahlt haben.
Für den Bundesrat ein No-Go. Im Brief an Juncker heisst es, der Lohnschutz müsse «auf dem in der Schweiz geltenden Niveau» garantiert werden.
Wenn die Schweiz die sogenannte Unionsbürgerrichtline übernehmen würde, könnten EU-Bürger in der Schweiz schneller an Sozialhilfe gelangen. Heute haben etwa Personen, die als Rentner oder Studenten in die Schweiz reisen, keinen Anspruch. Dies würde sich ändern. Auch EU-Bürger, die hierzulande ihren Job verlieren, hätten früher Anspruch auf Sozialleistungen. Aufenthaltsbewilligungen könnten weniger einfach entzogen werden. Zudem könnten kriminelle EU-Ausländer noch schwerer ausgeschafft werden. Bereits heute gibt es Einschränkungen aufgrund der Personenfreizügigkeit.
Die EU wollte die Richtlinie explizit im Rahmenabkommen erwähnen, die Schweiz hingegen versuchte diese explizit ausschliessen. Man einigte sich, diese gar nicht zu erwähnen. Die Bürgerlichen befürchten jedoch, dass die Richtlinie dennoch rasch aufs Tapet kommen wird - und gaben dem Bundesrat den Auftrag, diese explizit vom Rahmenvertrag auszuschliessen. Was nun auch die Regierung anstrebt.
Wenn die Schweiz die sogenannte Unionsbürgerrichtline übernehmen würde, könnten EU-Bürger in der Schweiz schneller an Sozialhilfe gelangen. Heute haben etwa Personen, die als Rentner oder Studenten in die Schweiz reisen, keinen Anspruch. Dies würde sich ändern. Auch EU-Bürger, die hierzulande ihren Job verlieren, hätten früher Anspruch auf Sozialleistungen. Aufenthaltsbewilligungen könnten weniger einfach entzogen werden. Zudem könnten kriminelle EU-Ausländer noch schwerer ausgeschafft werden. Bereits heute gibt es Einschränkungen aufgrund der Personenfreizügigkeit.
Die EU wollte die Richtlinie explizit im Rahmenabkommen erwähnen, die Schweiz hingegen versuchte diese explizit ausschliessen. Man einigte sich, diese gar nicht zu erwähnen. Die Bürgerlichen befürchten jedoch, dass die Richtlinie dennoch rasch aufs Tapet kommen wird - und gaben dem Bundesrat den Auftrag, diese explizit vom Rahmenvertrag auszuschliessen. Was nun auch die Regierung anstrebt.
Präzisieren will der Bundesrat auch die Regeln zu den staatlichen Beihilfen. Also zur Frage, welche Steuererleichterungen und Vergünstigungen für Unternehmen noch erlaubt sein sollen und welche verboten werden. Hier hatten vor allem die Kantone, aber auch etliche Parteien Vorbehalte geäussert, weil Kantonalbanken oder Wasserkraftwerke betroffen sein könnten.
Im EU-Raum sind staatliche Beihilfen grundsätzlich verboten, sofern sie den Wettbewerb verfälschen. Im Rahmenabkommen möchte die EU deshalb Regeln aufstellen, wie solche Subventionen in der Schweiz überwacht und nötigenfalls beseitigt werden können.
Lange ging die Schweizer Politik davon aus, dass nur einige Bereiche betroffen sein werden - etwa der Luftverkehr. Doch dann kam die Befürchtung auf, dass die Regeln auch für das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU von 1972 gelten. Dieses soll nämlich in Bälde aktualisiert werden. Betroffen wären dann sämtliche Industriegüter, die in der Schweiz produziert werden.
Präzisieren will der Bundesrat auch die Regeln zu den staatlichen Beihilfen. Also zur Frage, welche Steuererleichterungen und Vergünstigungen für Unternehmen noch erlaubt sein sollen und welche verboten werden. Hier hatten vor allem die Kantone, aber auch etliche Parteien Vorbehalte geäussert, weil Kantonalbanken oder Wasserkraftwerke betroffen sein könnten.
Im EU-Raum sind staatliche Beihilfen grundsätzlich verboten, sofern sie den Wettbewerb verfälschen. Im Rahmenabkommen möchte die EU deshalb Regeln aufstellen, wie solche Subventionen in der Schweiz überwacht und nötigenfalls beseitigt werden können.
Lange ging die Schweizer Politik davon aus, dass nur einige Bereiche betroffen sein werden - etwa der Luftverkehr. Doch dann kam die Befürchtung auf, dass die Regeln auch für das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU von 1972 gelten. Dieses soll nämlich in Bälde aktualisiert werden. Betroffen wären dann sämtliche Industriegüter, die in der Schweiz produziert werden.