Bundesrat sucht Retter
Wen schickt die Schweiz in die Schlacht mit der EU?

Topkader aus dem Aussendepartement, Staatssekretäre oder Professoren werden als mögliche Kandidaten für die Verhandlungsschlacht mit der EU genannt.
Publiziert: 25.06.2015 um 15:27 Uhr
|
Aktualisiert: 07.10.2018 um 11:34 Uhr
1/8
Schweizer Chefdiplomat Yves Rossier (Archiv)
Foto: Keystone
Von Nico Menzato

Der Bundesrat hat gestern entschieden, seine Strategie bei den Verhandlungen mit der EU fundamental zu ändern. Statt über die einzelnen Dossiers separat zu sprechen, soll nur noch eine, dafür eine umso grössere Verhandlungsschlacht geführt werden.

Deshalb wird der Bundesrat noch im Sommer einen Superverhandler ernennen – einen neuen Mister EU. Oder eine Miss EU.

Wer aber hat hierzulande herausragende Fähigkeiten? Wer kann der EU Zugeständnisse bei der Personenfreizügigkeit abringen, ohne dass die Schweiz allzu schmerzhafte Eingriffe in ihre Souveränität akzeptieren muss?

Laut Bundesrat Didier Burkhalter wird der neue Superverhandler höchstwahrscheinlich in seinem Aussendepartement (EDA) angesiedelt sein. In den Fokus für den Topjob geraten deshalb heutige EDA-Kader.

Etwa Staatssekretär Yves Rossier. Er war schon bislang ein zentraler Verhandlungsführer mit der EU – ein kleiner Mister EU. Der Kettenraucher leitet die Kerngruppe Europa, die sich aus Fachleuten aus allen Departemente zusammensetzt. Rossier führte die Gespräche mit der Union über ein Rahmenabkommen – über die Mechanismen also, wie die Schweiz künftig neues EU-Recht übernehmen soll und wie Streitigkeiten gelöst werden. Die Verhandlungen stocken seit dem 9. Februar 2014, seit dem Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative.

Ein valabler Kandidat wäre auch Henri Gétaz, der Leiter der Direktion für europäische Angelegenheiten (DEA). Auch er verhandelte – zuweilen an der Seite Rossiers – mit der EU über das Rahmenabkommen.

Ein weiterer EDA-Topkader, das aus diplomatischen Kreisen für den Topjob genannt wird, ist Benno Bättig, der Generalsekretär des Aussendepartements. Der Ökonom war von 2003 bis 2007 persönlicher Mitarbeiter von alt Bundesrat Pascal Couchepin und danach Generalsekretär des Innendepartements. Oder auch Rossiers Stellvertreter, Georges Martin wird als Option gehandelt.

Ausserhalb des EDA ist Mario Gattiker in der Poleposition. Zwar hat Bundesrat Burkhalter dem Staatssekretär für Migration gestern für seine «gute Arbeit» bei den Verhandlungen mit der EU über die Personenfreizügigkeit gedankt. Ist sein Job auf dem internationalen Parket also erledigt? Nicht unbedingt. Burkhalter schloss nicht aus, dass Gattiker als Superverhandler eingesetzt wird. Dazu müsste er aber das bei Justizministerin Simonetta Sommaruga angesiedelte Staatssekretariat für Migration verlassen. Und ins Aussendepartement, wo der Chefverhandler angesiedelt wird, wechseln.

Zum diplomatischen Topkader der Schweiz zählt auch Jacques de Watteville, Staatssekretär für internationale Finanzfragen. Der Romand mit dem adelig tönenden Namen verhandelt derzeit mit der EU über diverse Finanzfragen. Zuvor amtete er als  Botschafter der Schweiz bei der EU – und zeichnete beim Abgang ein düsteres Bild der Beziehungen: «Sogar unsere Freunde verstehen uns nicht mehr!»

Ins Spiel gebracht wird auch Heidi Tagliavini. Die Ukraine-Beauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) legt ihr Amt nieder, wie sie Anfang Juni ankündigte. Zu den Beweggründen sagte die Krisenspezialistin nichts. Ob sie als Miss EU bereit steht?

Ihr Nachteil: Aus diplomatischen Kreisen heisst es, Tagliavini kenne die europäischen Verhältnisse wohl zu wenig gut. Sie sei mehr auf dem globalen Parkett zu Hause als in der bilateralen Welt Schweiz-EU.

Wird stattdessen ein Professor ins diplomatische Korps beordert? Etwa Michael Ambühl, der bis 2012 den Steuer- und Bankenstreit mit den USA schlichtete und seither an der ETH Zürich lehrt. Ausgeschlossen ist dies nicht, aber unwahrscheinlich.

Völlig ausgeschlossen ist, dass der Chef persönlich, Aussenminister Burkhalter, die EU in die Knie zu zwingen versucht. «Ich bin Bundesrat, kein Diplomat», so der FDP-Magistrat.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?