Die Woche hat nicht gut angefangen für Guy Parmelin (60). Der SVP-Forschungsminister musste am Montag von massiven Vorwürfen gegen ihn lesen: Gemäss BLICK-Recherchen wollte er aus Angst vor den Initiativen zum Einsatz von Pestiziden Wissenschaftler des Wasserforschungsinstituts der ETH (Eawag) zum Schweigen bringen.
Parmelin reagierte auf diese Recherche erbost – und machte seinem Ärger auf Twitter Luft. Auch als BLICK ihn am Nachmittag in seinem Büro trifft, ist der Zorn noch nicht verraucht.
BLICK: Herr Bundesrat, Sie sollen bei den ETH-Wasserforschern der Eawag interveniert haben, um die Publikation eines Faktenblatts zur Pestizidbelastung zu verhindern ...
Guy Parmelin: Ich habe niemals interveniert – weder wegen dieses Faktenblatts noch wegen irgendeines anderen Dokuments. Die Direktorin der Eawag hatte mich um ein Treffen gebeten und nicht umgekehrt. Was wir gemacht haben: Wir haben gesagt, dass im Faktenblatt Dinge stehen, die wir anders sehen. Aber wir haben nie gesagt, dass es nicht publiziert werden darf. Von mir aus soll die Eawag dieses Faktenblatt publizieren. Es wurde ja bereits im Mai 2019 an die zuständige Kommission des Nationalrates übermittelt. Daher muss das Parlament entscheiden, ob es für die Öffentlichkeit gedacht ist oder nicht.
BLICK liegt allerdings ein Memo vor, wonach Sie interveniert haben.
Von diesem Memo hatte ich bis am späteren Sonntagnachmittag keine Kenntnis. Es gab am 10. Oktober dieses Treffen zwischen mir, der ETH und der Eawag. Wir haben über verschiedene Aspekte der Eawag-Forschung im Kontext der Pestizid-Initiativen gesprochen. Dabei habe ich darauf hingewiesen, dass – gerade wenn das Parlament darüber debattiert – Publikationen und Äusserungen von Forschern mit grosser Umsicht erfolgen müssen. Fakten – und nichts als Fakten – sollen diskutiert werden. Abgesehen davon habe ich weder interveniert, noch irgendwem einen Maulkorb verpasst oder Druck ausgeübt. Die Unabhängigkeit der Wissenschaft ist mir heilig! Die Meinungsfreiheit auch.
Soll das heissen, was in diesem Memo steht, ist erfunden?
Wie gesagt, ich habe dieses Memo nicht geschrieben. Die Verfasserin, Frau Hering, ist englischer Muttersprache – vielleicht hat sie ja den einen oder anderen Punkt missverstanden. Das hat sie ja auch einführend im Memo festgehalten.
Aber in der von BLICK zitierten Passage war Frau Hering sehr klar.
Ich habe am Montagmorgen nochmals meine Mitarbeiter, die an diesem Treffen teilgenommen haben, gefragt, ob ich mich in dieser Art geäussert habe, wie es Frau Hering schreibt. Sie alle verneinten.
Sie sagten eben, Sie hätten an dem Treffen Umsicht angemahnt. Sie haben also den Eindruck, dass sich die Eawag-Forscher politisch äussern?
Jede und jeder in diesem Land hat das Recht, sich frei zu äussern. Forscher aber müssen zumindest offenlegen, welche Methoden sie anwenden. Nehmen wir die Messung der Pestizidbelastung: Das Bundesamt für Landwirtschaft arbeitet mit Grenzwerten, die international anerkannt sind. Die Eawag hingegen wendet diese anders an – und stellt daher eine höhere Belastung fest. Nur: Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen! Das will ich verhindern, denn es führt zur Verunsicherung der Bevölkerung. Aber nochmals: Ich habe niemals irgendwem verboten, etwas zu veröffentlichen.
Gegenüber dem BLICK sagten Sie, dass die «Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Eawag, ETH und Departement verbessert» werden muss. Was klappt denn nicht?
Wie schon gesagt: Es handelt sich hier um ein sensibles und gleichzeitig sehr komplexes Thema. Ich erwarte, dass bei solchen Themen alle vom Gleichen reden und beispielsweise die gleichen Grenzwerte benutzen. Dies dient dem Verständnis und der Sachlichkeit. Und natürlich ist es hilfreich, wenn uns ein Forschungsinstitut informiert, bevor es eine neue Studie oder ein neues Dokument veröffentlicht. Denn wenn wir um Reaktionen angefragt werden, müssen wir ja wissen, worum es geht.
Können Sie sich vorstellen, dass Forschungsinstitute, die finanziell vom Bund abhängen, Ihre Äusserungen als Maulkorb verstehen – weil sie um Gelder fürchten?
Ich habe nie mit Kürzungen gedroht oder Ähnliches. Niemals! Im Gegenteil: Ich habe dafür gesorgt, dass die Forschung mehr Geld bekommt. Wenn man aber sehr technische und komplizierte Forschungsergebnisse gegen aussen kommuniziert, muss man klar und transparent sein und seine Methoden offenlegen.
Mit Guy Parmelin (60) zog im Land wieder die Normalität ein: Nach seiner Wahl in den Bundesrat im Dezember 2015 hatte die SVP erneut zwei Sitze in der Landesregierung. In den acht Jahren zuvor besetzte BDP-Frau Eveline Widmer-Schlumpf (63) diesen Stuhl.
Zunächst Verteidigungsminister, steht Parmelin seit diesem Jahr dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) vor. Keine einfache Aufgabe für den gelernten Weinbauern. So erwarten die Landwirte von ihm, dass er sie vor dem freien Markt schützt. Und gleichzeitig drängt die Exportwirtschaft auf mehr Freihandel.
Mit Guy Parmelin (60) zog im Land wieder die Normalität ein: Nach seiner Wahl in den Bundesrat im Dezember 2015 hatte die SVP erneut zwei Sitze in der Landesregierung. In den acht Jahren zuvor besetzte BDP-Frau Eveline Widmer-Schlumpf (63) diesen Stuhl.
Zunächst Verteidigungsminister, steht Parmelin seit diesem Jahr dem Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) vor. Keine einfache Aufgabe für den gelernten Weinbauern. So erwarten die Landwirte von ihm, dass er sie vor dem freien Markt schützt. Und gleichzeitig drängt die Exportwirtschaft auf mehr Freihandel.