Die Sicherung der Renten und ständig steigende Gesundheitskosten: Das sind laut CS-Sorgenbarometer die Themen, welche die Schweizerinnen und Schweizer derzeit am meisten beschäftigen. Ausgerechnet von der Schweizerischen Volkspartei hört man zu beidem praktisch nichts.
Lange fuhr die SVP gut mit ihrer Beschränkung auf die Kernpunkte Migration, EU und tiefe Steuern.
Auch Bundespräsident Ueli Maurer (69) meinte am Rande einer Pressekonferenz am Freitag, er habe als Präsident mit diesen drei Themen die Partei zwölf Jahre lang geführt. Viel mehr könnten sich Durchschnittsinteressierte sowieso nicht merken.
Themenaufbau dauert acht Jahre
Im Gespräch mit SonntagsBlick räumte Maurer aber ein: «Bei der Altersvorsorge und den Gesundheitskosten hätte die SVP schon früher anfangen sollen», Lösungen vorzuschlagen. Denn: «Bis man als Partei ein Thema aufgebaut hat, dauert es acht Jahre.»
Um ein Thema zu besetzen, dürfe man auch provozieren, meint Maurer und verweist auf die SVP-Kampagne gegen «Schein-Invalide» in den Nuller-Jahren. Diese habe mit zur Reform der Invalidenversicherung beigetragen, die damals tief in den roten Zahlen steckte.
Auch im Parlament sind einige der Meinung, die SVP habe die Dossiers Altersvorsorge und Gesundheitswesen zu lange brachliegen lassen. «Diese Themen waren in der Partei bisher nicht zuoberst auf der Agenda», sagt Nationalrat Franz Grüter (56, LU) selbstkritisch.
Ablehnung gegenüber aggressivem Polit-Stil
Da die Reform der Altersvorsorge eines der wichtigsten Geschäfte der nächsten Legislatur werde, «muss und wird sich die SVP da aktiv einbringen». Parteikollege Martin Haab (57, ZH) bekräftigt: «Da müssen wir Lösungen bieten.»
Eine Rückkehr zum aggressiven Polit-Stil mit Plakaten wie «Kosovaren schlitzen Schweizer auf» lehnen beide ab. Haab: «Ich sehne mich nicht nach diesen Zeiten zurück.» Zu vergangenen Kampagnen will sich der Zürcher Nationalrat Mauro Tuena (47) nicht äussern, mahnt jedoch, die SVP müsse künftig wieder weniger zahm auftreten: «Der Schmusekurs hat nicht funktioniert.» Tuena verweist neben dem Einbruch bei den eidgenössischen Wahlen auch auf die Niederlagen in den Kantonen. Natürlich sei es angenehmer, auf Podien nett aufzutreten, so Tuena. Aber: «Die SVP ist darum stark geworden, weil sie die Probleme beim Namen nennt.» Dazu gehöre auch eine Bildsprache, die aufrüttle.
Wie die Partei künftig auftritt, dürfte auch von der Person des neuen Parteipräsidenten abhängen: Albert Rösti (52) wird sein Amt im kommenden Frühling abgeben.
Grösste Unterstützung für Marcel Dettling
Von jenen, die aktuell als mögliche Kandidaten genannt werden, scheint der Schwyzer Nationalrat Marcel Dettling (38) in der Partei die grösste Unterstützung zu geniessen. Dettling sei diese Aufgabe ohne weiteres zuzutrauen, heisst es: Volksnah sei er, umgänglich und gleichzeitig mediengewandt und «Arena»-tauglich.
Dettling ist Mitglied der wichtigen Wirtschaftskommission und war von Rösti in den Parteileitungsausschuss geholt worden, in dem auch Nationalrätin Sandra Sollberger (46, BL) Mitglied ist. Doch ihr werden nur wenige Chancen eingeräumt: Genauso wie die ebenfalls gehandelte Thurgauer Unternehmerin Diana Gutjahr (35) habe sie während ihrer Zeit im Nationalrat kaum Spuren hinterlassen, meint ein Parteimitglied.
Ebenfalls im Parteileitungsausschuss sitzt Nationalrat Thomas Matter (53), schwerreicher Banker aus Zürich. Sein Handicap: Bundesrat Maurer hat bereits durchblicken lassen, dass er den Zürcher nicht in der Rolle des Parteipräsidenten sieht. «Millionäre sind nicht alle so geeignet», meinte Maurer am Freitag vielsagend.
Und: Es brauche «en gmögige Cheib».