Ob diesem Bundesrats-Entscheid verschlägt es ihr grad kurz die Sprache: «Mir fehlen die Worte, so sehr rege ich mich auf», sagt SP-Sicherheitspolitikerin Chantal Galladé (45) zu BLICK. Heute hat der Bundesrat verkündet, dass er künftig Kriegsmaterialexporte in Krisengebiete erlauben will.
«Das ist nicht vereinbar mit unserer Friedenspolitik, mit unserer Aussenpolitik und unserer Neutralität. Die Schweiz als Sitz der Uno und Ort für Friedensverhandlungen wird damit in Frage gestellt», sagt Galladé.
Bundesrat Johann Schneider-Ammann (66) – treibende Kraft hinter diesem Entscheid – setze sich «mit diesem Kniefall vor der Rüstungsindustrie ein sehr fragwürdiges Denkmal». Er heble damit nicht nur die Menschenrechte aus, sondern «schadet auch der Schweiz».
«Mir schreiben viele Menschen, sie seien zwar bürgerlich und konservativ – aber in dieser Frage mit mir einig: Die Schweiz darf keine Waffen in Krisengebiete exportieren. Das geht so nicht, lieber Bundesrat!»
BDP will Bundesrat entmachten
Auch BDP-Präsident Martin Landolt (49) ist aufgebracht. «Ich glaube nicht, dass eine Mehrheit der Menschen in diesem Land Schweizer Waffen in Krisengebieten akzeptiert», sagt er. «Das hinterlässt ein Bild unseres Landes, hinter dem ich wie viele Politiker und Wähler nicht stehen kann. Es ist Image-schädigend und verstösst gegen unsere Werte.»
Landolt weint der alten Bundesratsbesetzung nach: «Ein solcher Entscheid wäre noch vor wenigen Jahren mit Eveline-Widmer Schlumpf und Didier Burkhalter in der Landesregierung unvorstellbar gewesen.»
Und der Glarner fühlt sich bestärkt, er forderte kürzlich im BLICK, dass nicht mehr der Bundesrat über die Richtlinien für Waffenexporte entscheiden soll, sondern Parlament und Volk.
«Jetzt zeigt sich deutlich, dass unser Vorstoss nötig ist. Das Parlament muss mitentscheiden können, ob und wohin Schweizer Waffen exportiert werden dürfen. Und gegebenenfalls soll das Volk mittels Referendum das letzte Wort haben.»
FDP-Dittli verteidigt den Bundesrat
Doch es gibt auch Zuspruch: Josef Dittli (61), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats stärkt seinem Parteikollegen Schneider-Ammann den Rücken. Er begrüsse den Entscheid des Bundesrates, «im Rahmen seiner Kompetenzen die Rahmenbedingungen für Rüstungsindustrie sich dem europäischen Ausland angenähert zu haben», sagt der Urner. Die Lockerung stehe «im Einklang mit unseren völkerrechtlichen, aussen- und neutralitätspolitischen Grundsätze und Verpflichtungen». Die Kontrollen seien zudem «sehr streng».
Ausserdem wolle der Bundesrat ja keine Kriegsgüterexporte in Länder erlauben, wo ein flächendeckender Bürgerkrieg tobe. Es sollen aber beispielsweise Exporte in Länder mit einem regional begrenzten Konflikt wie zum Beispiel Thailand möglich sein, «wenn sichergestellt ist, dass das Material nicht in diesem Konflikt eingesetzt wird».
Für Dittli ist zentral, dass die Schweiz im Rüstungsbereich über eigenes Know-how verfügt: «Eine leistungsfähige und kommerziell erfolgreiche Rüstungsindustrie ist unabdingbar für die Selbstverteidigungsfähigkeit und damit für die Glaubwürdigkeit und die Souveränität der Schweiz.»
SVP-Salzmann sieht Neutralität nicht verletzt
SVP-Nationalrat Werner Salzmann (55) argumentiert ähnlich: «Unsere Kriegsmaterial-Exporte waren in den letzten Jahren rückläufig und das schwächt unseren Industriestandort», sagt der Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Und er betont: «Die Hürden sind immer noch hoch genug!» Die Schweiz dürfe beispielsweise nicht nach Syrien oder den Jemen liefern. «Die EU darf das unter gewissen Umständen, hier müssen die Spiesse gleich lang werden.»
Aber sind Schweizer Waffen für Krisengebiete mit der Schweizer Neutralitätspolitik vereinbar? Salzmann: «Ja, die Schweiz liefert ja nicht an kriegführende Staaten.»