Herr Bundesrat, wie erklären Sie sich die hohe Zustimmung für die Selbstbestimmungs-
Initiative – obwohl die Wirtschaft geschlossen dagegen kämpft?
Johann Schneider-Ammann: Sie haben recht, grosse und kleinere Unternehmen sowie die Wirtschaftsverbände engagieren sich geschlossen gegen die SVP-
Initiative. Denn sie sehen, wie gefährlich es wäre, wenn wir wichtige Verträge wie die Bilateralen oder Handelsabkommen aufs Spiel setzen. So etwas ist Gift für unsere Unternehmen und damit auch für die Arbeitsplätze. Wie hoch die Zustimmung zur Initiative dann tatsächlich ist, werden wir am Abstimmungssonntag sehen.
Durch Ihre Partei verläuft ein Riss: Ein Grossteil der freisinnigen Wähler stimmt dem Anliegen bei Umfragen zu. Weshalb?
Die Haltung der FDP ist klar:
Diese Initiative verdient ein deutliches Nein, weil sie ein gefährliches Experiment ist. Und im gegenwärtigen Umfeld verträgt der Standort Schweiz keine Experimente. Ich bin deshalb überzeugt, dass die FDP-Basis gegen die Initiative stimmen wird.
Die SVP setzt in ihrer Kampagne auf leise Töne. Die Gegner der Vorlage dagegen schlagen lauthals Alarm. Kann es sein, dass schrille Warnungen bei der Bevölkerung nicht mehr verfangen?
Ich habe volles Vertrauen in die Bevölkerung. Sie wird sich wie immer sorgfältig eine Meinung bilden. Ich kann jedenfalls nur empfehlen: Lesen Sie den Initiativtext, lesen Sie das Abstimmungsbüchlein. Das ist informativer als jedes Plakat und jedes
Inserat. Denn dort sieht man: Mit der Initiative büsst die Schweiz ein, was uns so erfolgreich gemacht hat – unsere Stabilität und Verlässlichkeit.
Ganz konkret: Mit welchen Konsequenzen müssten Schweizer Firmen bei einem Ja zur Selbstbestimmungs-Initiative der SVP rechnen?
Schauen Sie, vor kurzem hat mir in Genf der Chef einer Firma
gesagt: «Wenn ich nicht weiss, ob sich die Schweiz in Zukunft noch an wichtige Wirtschaftsabkommen hält, dann investiere ich
doch hier nicht mehr.» Was das dann für die Arbeitsplätze bedeutet, brauche ich Ihnen nicht zu erklären.
Was bedeutet es für Sie persönlich, dass Sie sich mit einem derart schwierigen Abstimmungskampf aus der Landesregierung verabschieden?
Dass ich mich in den letzten
Wochen als Wirtschaftsminister so engagiere, zeigt vor allem eines: Es geht um viel für unser Land. Wenn ich als Bundesrat gehe, will ich sagen können: «Ich habe alles gegeben, damit die Schweiz ein verlässlicher Partner bleibt.»