BLICK: Herr Bundesrat, Politiker sorgen sich, dass immer mehr Schweizer Firmen in chinesische Hände geraten. Macht Ihnen dieser kommunistische Kaufrausch Bauchweh?
Johann Schneider-Ammann: Wir leben in offenen Märkten, und das bringt uns Wohlstand und Beschäftigung. Bei Syngenta zum Beispiel wird ein schon bisher mehrheitlich internationales Aktionariat durch ein anderes internationales – nun chinesisches – Aktionariat abgelöst. Ich kann gut verstehen, dass das bei vielen Menschen zuerst Bedenken auslöst. Aber ich kann damit leben, wenn Technologie und Innovationen hier bleiben – und damit auch die Jobs. Das zählt!
Durch die Chinesen findet eine Quasi-Verstaatlichung unserer Unternehmen statt. Als Liberaler müssen Sie sich dagegen wehren.
Es macht in diesem Fall wenig Sinn, dass wir uns gleich verhalten. Sonst müssten wir ja staatliche Institutionen gründen, die ihrerseits in China Unternehmen aufkaufen. Das wird kaum die Absicht von Herrn Vogt sein.
Schweizer Firmen können aber in China nicht im gleichen Umfang investieren – trotz Freihandelsabkommen. Was unternehmen Sie dagegen?
Das Freihandelsabkommen regelt den Handel, nicht die Investitionen. Aber es gibt im Abkommen eine Klausel, dass alle zwei Jahre neu evaluiert wird. Das hat gerade erst stattgefunden, einige Details beim Handelsverkehr wurden angepasst. Dieser Prozess funktioniert. Es ist nicht ausgeschlossen, auch über Investitionen zu sprechen. Aber daran beissen sich schon EU und USA die Zähne aus. Und vergessen wir nicht: Auch die Auslandinvestitionen von Schweizer Firmen gehören, gemessen an der Grösse unserer Volkswirtschaft, zu den grössten weltweit.
Mit dem Ausverkauf droht ein Verlust von Wissen und Knowhow – spätestens wenn die Firmen dereinst in den Osten abwandern.
Sehen Sie: Als Swissmem-Präsident war ich immer wieder mit ausländischen Investoren in unserem Land in Kontakt. Ich sagte ihnen: Sie sind in unserer Industrie willkommen – solange sie sich an die Regeln halten und nicht auf kurzfristigen Profit aus sind. Eine Knowhow-Verlagerung funktioniert auch nicht so einfach: Das Wissen ist in den Schweizer Köpfen. Blosse Daten oder Anleitungen nützen ausländischen Investoren wenig. Entscheidend sind die Menschen. Die lassen sich nicht zu Tausenden in andere Länder verfrachten. Nochmals: Was zählt ist, dass unsere Jobs hier erhalten bleiben.
Die Sorgen bleiben trotzdem. Braucht es nicht zumindest in strategischen Sektoren wie Energie, Verkehr, usw. Einschränkungen?
Auf dieser Fährte können Sie mich sehr wohl abholen. Für das Landesinteresse strategische Sektoren müssen weiterhin von der Schweiz kontrolliert werden können und dürfen deshalb nicht in fremde Hände geraten. Zumindest nicht mehrheitlich. Auch als Liberaler werde ich nicht mithelfen, Staumauern, die Ruag oder die Swisscom-Mehrheit ins Ausland zu verkaufen. Ebenso muss die landwirtschaftliche Nutzfläche in Schweizer Händen bleiben.
Nicht nur China investiert in Schweizer Unternehmen, auch Katar ist aktiv. Jetzt wird der Vorwurf der Terrorfinanzierung laut. Machen wir uns da mitschuldig?
Ich habe von den dortigen nachbarschaftlichen Querelen Kenntnis genommen. Bevor ich die Hintergründe kenne, kann ich die Situation nicht kommentieren.
Braucht es Sanktionen gegen Katar?
Wir wollen jetzt im Detail verstehen, was in der Region läuft. Dann kann man sich überlegen, ob etwas zu tun ist.
Ihre frühere Firma, die Ammann Group, verlagert 130 Arbeitsplätze ins Ausland. Hätte ein chinesischer Investor diese retten können?
Selbstverständlich tut es weh, wenn man einen solchen Schritt machen muss. Und selbstverständlich wird eine solche Massnahme nur ergriffen, wenn es schlicht keine andere Option mehr gibt. Weiter äussere ich mich zu meiner ehemaligen Firma nicht.