Herr Hermann, was hat dazu geführt, dass heute am Abstimmungssonntag das klare Nein zu Ecopop so früh feststand?
Offensichtlich haben sehr viele Stimmende klar unterschieden zwischen der SVP-Masseneinwanderungsinitiative (MEI) am 9. Februar und Ecopop . Sie haben nicht einfach ein Zeichen gesetzt, sondern genau angeschaut, was die Ecopop-Initiative fordert. Die Schlussfolgerung kann darum nur sein: Die Leute waren nicht bereit, nur für die Reduktion der Einwanderung die Zukunft der gesamten Schweizer Wirtschaft und die nützliche Verbindung mit der EU zu opfern.
Nachdem die Meinungsumfragen immer noch steigende Zustimmungswerte zeigten, überrascht nun das Ausmass der Ablehnung. Ganze Kantone sind vom Ja- ins Nein-Lager gewechselt. Was sind die Gründe dafür?
Es ist in der Tat überraschend, wie extrem und flächendeckend die Ablehnung von Ecopop ausfällt. Womöglich waren eben doch einige über die Auswirkungen ihres Ja zur MEI überrascht, also über die Schwierigkeiten, die Forderung der Initiative mit den bilateralen Verträgen in Übereinstimmung zu bringen. Die Befürworter einer Zuwanderungsbegrenzung waren offensichtlich verunsichert und bleiben zum Teil zuhause. Dafür waren die Gegner nach dem 9. Februar gewillt ein Zeichen setzen. Und dieses Ergebnis ist tatsächlich ein Zeichen.
Inwiefern?
Das klare Ergebnis gibt dem Bundesrat recht in seinem Versuch, die Masseneinwanderungsinitiative vorsichtig umzusetzen. Offensichtlich ist nicht eingetroffen, was viele Anhänger der SVP-Initiative an die Wand malten, die behaupteten, der Bundesrat provoziere mit seiner Politik ein Ja zu Ecopop. Im Gegenteil: Die Stimmbürger sind davor zurückgeschreckt, noch weiter an der Wutspirale zu drehen. Eine grosse Mehrheit will die Regierung nicht noch zusätzlich unter Druck setzen.
Wer gehört zu Siegern heute, wer sind die Verlierer?
Der Bundesrat geht sicher gestärkt aus diesem Urnengang hervor. Es ist wie gesagt ein klares Zeichen für die Unterstützung, die er mit seinen Bemühungen in Sachen MEI-Umsetzung geniesst. Gewinnerin ist auch die Wirtschaft, die diesmal mehr gekämpft hat und damit auch das Stimmvolk überzeugen konnte. Verlierer sind die Leute von Ecopop, aber auch die SVP.
Warum die SVP?
Ecopop ist der SVP in die Parade gefahren. Die Drohung der Partei, dass nur eine Umsetzung der MEI ohne Rücksicht auf Verluste einen Aufstand in der Bevölkerung verhindere, verhallt nun im Leeren. Pech für die SVP ist, dass immer das letzte Votum den Ton der Debatte bestimmt. So haben die schlechten Ergebnisse von Mindestlohn und 1:12 der Minder-Initiative den Wind aus den Segeln genommen. Jetzt relativiert der Absturz von Ecopop die Abschottungsstimmung, die nach dem 9. Februar herrschte. Zumindest bis wieder einmal die SVP die Nase vorne hat.