Bundesrat Berset kämpft für ein neues Präimplantationsdiagnostik-Gesetz
Die acht wichtigsten Fakten zur PID-Abstimmung

Heute startete Bundesrat Alain Berset den Abstimmungskampf für das neue Fortpflanzungsmedizin-Gesetz, welches am 5. Juni vors Volk kommt. Dabei geht es um die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID). BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen.
Publiziert: 11.04.2016 um 19:54 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 13:35 Uhr
Am 5. Juni entscheidet das Stimmvolk über das Fortpflanzungsmedizin-Gesetz – und damit über die konkrete Anwendung der Präimplantationsdiagnostik. (Symbolbild)
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Heute startete Gesundheitsminister Alain Berset den Abstimmungskampf für das neue Fortpflanzungsmedizin-Gesetz. Dabei geht es um die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID). Am 5. Juni entscheidet das Volk über das neue Gesetz. BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wurde nicht schon letztes Jahr über die PID abgestimmt?

Doch! Allerdings ging es dabei um die Verfassungsbestimmung, welche den Grundstein für die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik legte. Mit 61,9 Prozent Ja wurde dieser klar zugestimmt. Jetzt geht es um das konkrete Umsetzungsgesetz. Und damit auch um die Frage, welche Grenzen der Fortpflanzungsmedizin gesetzt werden.

Worum geht es?

Mit der Änderung des Fortpflanzungsmedizin-Gesetzes wird die bisher verbotene Präimplantationsdiagnostik (PID) zugelassen. Bei der PID wird ein durch künstliche Befruchtung erzeugter Embryo genetisch untersucht. Dies soll aber nur unter gewissen Voraussetzungen möglich sein.

So können Paare, die Träger einen schweren Erbkrankheit, Embyronen auf diese Krankheit hin untersuchen lassen. Dann wird ein Embyro ohne den entsprechenden Gendefekt eingesetzt und die Übertragung der Erbkrankheit verhindert.

In Anspruch nehmen können die PID auch Paare, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können. Die durch künstliche Befruchtung erzeugten Embryonen werden auf bestimmte genetische Eigenschaften hin untersucht (Chromosomen-Screening). Danach wird derjenige Embryo eingesetzt, von welchem eine gute Entwicklungsfähigkeit erwartet wird. Das soll die Chance auf eine erfolgreiche Schwangerschaft erhöhen.

Pro Behandlung dürfen neu maximal zwölf künstlich befruchtete Eizellen weiter entwickelt werden – bisher waren es maximal drei.

Warum wurde das Referendum ergriffen?

Hinter dem Referendum steckt eine breite Allianz. Diese reicht von moderaten Kräften, die ein strengeres Gesetz wollen, bis hin zu konservativen Abtreibungsgegnern, die jegliche Eingriffe ablehnen. Nach dem Ja zur Verfassungsänderung bleibt als gemeinsames Ziel: Ein restriktiveres Gesetz ohne Chromosomen-Screening und einer tieferen Maximalzahl für die Weiterentwicklung von Eizellen. Sie wollen die PID auf Paare mit schweren Erbkrankheiten beschränken.

Insbesondere das Chromosomen-Screening wird vehement bekämpft. «Die PID wählt zwischen wertvollem und minderwertigem Leben. Dies setzt für unsere Gesellschaft und deren humane Zukunft falsche Signale», so die Gegner. Sie sprechen von einer unethischen Selektion. 

Wer steckt hinter dem Nein?

Drei Komitees haben über 58'000 gültige Unterschriften für das Referendum gesammelt. Die EVP führt das überparteiliche Komitee «Nein zu diesem Fortpflanzungsgesetz» an, welchem Politiker aus allen Lagern angeschlossen sind. So sitzen etwa SVP-Ständerat Peter Föhn, CVP-Nationalrat Christian Lohr oder SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer im Co-Präsidium. Teilweise machen nun auch Parlamentarier mit, welche die Verfassungsänderung noch befürwortet haben.

Im Komitee «Vielfalt statt Selektion» sind vor allem Behinderten- und soziale Organisationen vertreten. Aus rechtskonservativen Kreisen stammt das Komitee «PID stoppen».

DARF NICHT MEHR VERWENDET WERDEN
Foto: EQ Images

Wer ist dafür?

Auch auf der Ja-Seite ist ein breites Spektrum vertreten. Auch im überparteilichen Ja-Komitee figurieren Parlamentarier von links bis rechts. Besonders stark vertreten ist die FDP. Kein Wunder, gehört doch alt FDP-Ständerat Felix Gutzwiller zu den wichtigsten Vorkämpfern. So sitzt er nun im Co-Präsidium – so wie etwa auch CVP-Nationalrätin Ruth Humbel oder der frühere Grüne-Ständerat Luc Recordon. Auch zahlreiche Mediziner sowie betroffene Paare kämpfen für ein Ja.

Wie ist die PID ausserhalb der Schweiz geregelt?

In den meisten EU-Ländern ist die PID zugelassen – nur in Litauen ist sie gänzlich verboten. In vier weiteren Ländern ist das Chromosomenscreening nicht möglich, wie eine Auflistung der Gesetzes-Befürworter zeigt (siehe Tabelle). Die heutige Situation führe zu einem Fortpflanzungs-Tourismus in die umliegenden Länder anstelle einer optimalen Behandlung in der Schweiz, monieren die PID-Befürworter: «Verlassen betroffene Paare die Schweiz, um sich im Ausland behandeln zu lassen, ist keine Qualitätskontrolle und keine Überprüfung der medizinischen Rahmenbedingungen möglich.» Der Bund geht davon aus, dass mit dem neuen Gesetz pro Jahr 500 bis 1000 Paare die PID hierzulande in Anspruch nehmen würden.

Was bleibt verboten?

Ein Ja zum Gesetz öffne die Tore für eine noch weitergehende Liberalisierung der Fortpflanzungsmedizin, befürchten die Gegner. Bundesrat Alain Berset hingegen betont, dass es auch in Zukunft nicht erlaubt sei, Embyronen aufgrund ihres Geschlechts oder anderer Körpermerkmale wie der Augenfarbe auszuwählen. Auch die Auswahl von «Retterbabys» bleibe verboten.

Was passiert bei einem Nein?

Bei einem Nein dürfte rasch ein neuer Anlauf für ein neues Gesetz genommen werden. Dann dürfte die ursprünglich vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung wieder in der Vordergrund rücken. Dieser wollte die PID nur für Paare mit schweren Erbkrankheiten zulassen – dafür würden jährlich etwa 50 bis 100 Paare in Frage kommen. Das Chromosomen-Screening für unfruchtbare Paare würde wohl gestrichen. Und auch die Zahl der Emybros pro Behandlungszyklus dürfte reduziert werden – der Bundesrat hatte maximal acht vorgesehen. Allerdings dürfte es wieder einige Jahre dauern, bis ein neues Gesetz vorliegt.

Bundesrat Alain Berset erklärt die Regeln für die Präimplantationsdiagnostik, über deren Zulassung das Stimmvolk im Juni entscheidet.
Foto: KEYSTONE/PETER KLAUNZER
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