Nicht nur in Sri Lanka kams zu Kinderhandel
Adoptions-Skandal ist noch viel grösser

Eine neue Untersuchung zeigt, dass es nicht nur bei Adoptionen aus Sri Lanka, sondern auch bei Tausenden Adoptionen aus anderen Ländern zu Unregelmässigkeiten kam. Und die Behörden schauten weg.
Publiziert: 08.12.2023 um 11:17 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2023 um 17:42 Uhr
Ein neuer Bericht wirft ein schlechtes Licht auf vergangene Adoptionen in der Schweiz.
Foto: KEYSTONE

Das Ergebnis der Untersuchung war erschütternd. Hunderte Babys aus Sri Lanka sind bis in die 90er Jahre an Schweizer, die gern Eltern werden wollten, verkauft worden. Der Bund wusste davon – tat aber nichts. Das zeigte eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) vor vier Jahren auf.

Nun wird bekannt, dass es noch zu viel mehr illegalen Adoptionen gekommen ist. Der Bundesrat hatte nach Bekanntwerden des Skandals um die Adoptionen aus Sri Lanka eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um der Frage auf den Grund zu gehen, ob es auch bei anderen Herkunftsländern Unregelmässigkeiten gibt.

Tausende weitere Betroffene

Das Resultat: Sri Lanka war nur die Spitze des Eisbergs. Zwischen 1970 und 1999 sind wahrscheinlich mehrere Tausend Kinder aus dem Ausland auf illegale Art und Weise zur Adoption in die Schweiz gekommen. Sei es durch Kinderhandel, mit gefälschten Dokumenten oder fehlenden Angaben, woher ein Kind stammt.

Die Studie ist abermals von der ZHAW durchgeführt worden, sie basiert auf einer Recherche im Bundesarchiv. Adoptionen aus zehn Ländern sind untersucht worden: aus Bangladesch, Brasilien, Chile, Guatemala, Indien, Kolumbien, Korea, Libanon, Peru und Rumänien. Bei allen zehn Ländern sind die Forscher auf illegale Adoptionen gestossen. Für Chile und Brasilien seien beispielsweise mehrere Fälle belegt, in denen eine Geburt vorgetäuscht, ein fremdes Kind als das leibliche ausgegeben, Einträge ins Zivilstandsregister gefälscht oder erkauft worden sind.

Dass die Schweizer Behörden trotz Hinweisen auf systemische Fehler nichts unternahmen, habe mit der Zersplitterung der Zuständigkeiten und den komplexen Verfahren zu tun, sagt Studienleiterin Nadja Ramsauer. Ausserdem habe die Schweiz damals die Uno-Kinderrechtskonventionen und das Haager Kinderschutzübereinkommen noch nicht ratifiziert.

Bundesrat bedauert Unregelmässigkeiten

Der Bundesrat schreibt als Reaktion auf den Bericht, dass er die Unregelmässigkeiten bei den internationalen Adoptionen anerkenne und bedauere, «dass die Behörden ihre Verantwortung gegenüber den Kindern und ihren Familien nur unzureichend wahrgenommen haben». «Diese Versäumnisse der Behörden prägen das Leben der damals adoptierten Personen bis heute.»

Die Kantone seien nun dafür verantwortlich, die Betroffenen bei der Herkunftssuche zu unterstützen. Es stehe fest, dass es solche Unregelmässigkeiten in Zukunft nicht mehr geben dürfe. Dazu müsse das internationale Adoptionsrecht angepasst werden.

Verbot internationaler Adoptionen?

Bereits vor vier Jahren hatte der Bundesrat eine Expertengruppe eingesetzt, die prüfen sollte, wie man das heutige System reformieren kann. Diese schlägt in einem Bericht zwei Varianten vor. Eine Möglichkeit wäre, dass nur noch Adoptionen aus Ländern erlaubt sind, die gewisse Mindestgarantien nachweisbar einhalten. Oder aber: Die Schweiz verbietet internationale Adoptionen komplett. Heute werden pro Jahr noch rund 50 Kinder aus dem Ausland adoptiert.

Die Expertengruppe soll nun bis Ende 2024 «vertiefte Abklärungen» vorlegen. Erst dann will der Bundesrat entscheiden, wie es weitergeht. (lha)

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