Bundesrätin Viola Amherd beantwortet Kinderfragen
«Wir sagen nicht: ‹Hey, bisch du e Dumme!›»

Kinder müssen ausbaden, was wir Erwachsenen verbocken. Verteidigungsministerin Viola Amherd stellt sich deshalb in ihrem Büro im Bundeshaus den Fragen von Maé, Hanna und Serafin.
Publiziert: 08.12.2023 um 12:23 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2024 um 17:28 Uhr
Serafin, Hanna und Maé (v. l.) dürfen Verteidigungsministerin Viola Amherd im Bundeshaus treffen, um ihr Fragen über den Frieden zu stellen.
Foto: Kurt Reichenbach
Monique Ryser
Schweizer Illustrierte

«Salü zäme, ich bin d' Viola», begrüsst Bundesrätin und Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) Maé (8), Hanna (10) und Serafin (11) und gibt ihnen die Hand. «Ihr schreibt ja viel schöner als ich. Das kann ich besser lesen als meine eigenen Notizen», sagt sie mit Blick auf die Blätter mit den Fragen.

Die drei Kinder haben sich gut vorbereitet. In den Nachrichten hören sie von Krieg und Terror, am Mittagstisch stellen sie Fragen. Fragen, die einfach tönen, aber schwierig zu beantworten sind. Warum gibt es Krieg, warum streiten die Menschen, wie macht man Frieden? Nun befragen sie wie Profis die Bundesrätin, die Scheu verfliegt. Nur bei der Anrede wagen sie nicht immer das angebotene Du.

Hanna: Warum gibt es Menschen, die Frieden nicht wollen?
Viola Amherd: Der Grossteil der Menschen, Kinder und Erwachsene, wollen lieber Frieden. Doch es gibt auch Menschen, die nur ihren Vorteil sehen. Und dann beginnen sie, mit anderen zu streiten. Es geht meist darum, mehr Macht zu haben, mehr Geld oder einen anderen Vorteil. So gibt es Streit.

Serafin: Haben Bundesräte auch Streit miteinander?
Ich würde nicht sagen Streit. Aber wir diskutieren manchmal hart miteinander, weil wir nicht die gleiche Meinung haben. Es ist gut, dass wir sieben Frauen und Männer im Bundesrat sind, weil wir dann verschiedene Ansichten einbringen können. Wir diskutieren dann um die Sache. Das ist wichtig zu verstehen: Wir greifen uns nicht persönlich an. Wir sagen nicht: «Hey, bisch du e Dumme», sondern: «Diese Idee gefällt mir nicht.» So kann man gut zusammen diskutieren. Das ist wichtig, denn wir sitzen ja jede Woche wieder zusammen. Das Ziel ist, dass wir gemeinsam gute Lösungen finden.

«Auf Twitter wird fast nur noch gestritten. Da gefällt es mir gar nicht mehr», erzählt die Bundesrätin beim Gespräch.
Foto: Kurt Reichenbach

Maé: Wenn zwei Länder Krieg haben, wie machen sie wieder Frieden?
Das ist eine schwierige Frage. Das geht nur, wenn die Verantwortlichen dieser Länder bereit sind, zusammen zu sprechen. Es kann auch sein, dass ein drittes Land hilft, dass sie wieder miteinander reden. Zum Beispiel die Schweiz. Denn manchmal ist es einfacher, wenn die Streithähne erst einzeln mit uns reden und erst dann alle zusammen an einem Tisch sitzen. Aber es ist halt schon so, die beiden Länder müssen Frieden wollen.

Hanna: Was machst du, wenn du mit Freundinnen gestritten hast?
Das kommt drauf an. Wenn es ein ganz grosser Streit war, habe ich Mühe, wieder auf die Freundin zuzugehen. Vielleicht habe ich auch nicht den Mut. Dann muss ich überlegen, warum wir gestritten haben, warum ich mich so aufgeregt habe. Vielleicht sehe ich dann, dass es sich gar nicht gelohnt hat, und versuche, wieder ins Gespräch zu kommen. Bei uns im Wallis gibt es diese Redewendung: «Dr Esel bliibt stah, dr Gschiider giit nah.» Versteht ihr das?

Die Kinder nicken. Sie sind hochkonzentriert, schauen immer wieder auf ihre Notizen, um ja die nächste Frage nicht zu verpassen. Im Zimmer ist es mucksmäuschenstill.

Serafin: Können Sie schiessen?
Ganz schlecht. Ich habe nur einmal in meinem Leben mit einem Sturmgewehr geschossen. Das war an einem eidgenössischen Schützenfest im Wallis. Ich habe ganz schlecht getroffen.

Hanna: Warum sagen die Erwachsenen immer, wir Kinder sollen Frieden machen, selbst machen sie aber Krieg?
Es gibt halt solche, die nur ihre eigenen Interessen verfolgen und sich nicht für andere interessieren. Es ist natürlich schwierig, mit solchen Leuten auszukommen. Aber der grosse Teil der Menschen will nicht streiten.

Serafin: Dürfen Sie so viel Militärschoggi essen, wie Sie wollen?
Ja, ich dürfte wahrscheinlich schon. Auf dem Pult habe ich immer einen kleinen Vorrat, falls ich Energie brauche. Aber ich darf trotzdem nicht ständig naschen. Zu viel Schoggi ist nicht gesund, und meine Jeans würden mir dann wohl auch nicht mehr passen.

Bundesrätin Viola Amherd verteilt Militärbiscuits an Serafin, Maé und Hanna (v. l.). Als Geschenk für die Kinder gibts Schoggi für daheim.
Foto: Kurt Reichenbach

Maé: Was macht die Schweiz, wenn Krieg ist?
Zum Glück haben wir in der Schweiz ja Frieden und Sicherheit. Aber wenn wir angegriffen würden, müsste die Armee uns verteidigen. Dafür werden die Soldatinnen und Soldaten ausgebildet, sie haben auch das Material und die Waffen dafür. Ganz wichtig ist: Die Schweiz greift kein anderes Land an. Aber falls wir bedroht würden, müssten wir uns wehren und unsere Bevölkerung beschützen, vielleicht auch mit anderen befreundeten Ländern zusammen. Dafür haben wir das Militär.

Hanna: Was macht das Militär eigentlich, wenn Frieden ist?
Ganz viel. Es ist nicht so, dass sie einfach nur rumsitzen. Sie üben für den Ernstfall, sie helfen, wenn wir Überschwemmungen haben oder einen Waldbrand – wie dieses Jahr im Wallis oder in Griechenland. Auch während der Pandemie hat die Armee geholfen.

Artikel aus der «Schweizer Illustrierten»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Blick+ Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.

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Maé: Kommt der Krieg in die Schweiz?
Das kann niemand sagen. Für über 100 Jahre hatten wir Glück und keinen Krieg im eigenen Land. Ich sehe aktuell auch keine Bedrohung, dass jemand der Schweiz den Krieg erklären könnte. Da müssen wir nicht Angst haben. Was in 20 oder 30 Jahren ist, wissen wir aber nicht.

Hanna: Haben Sie sich als junge Frau auch überlegt, ins Militär zu gehen?
Damals war alles noch anders. Frauen konnten in den Frauenhilfsdienst. Das hat mir nicht zugesagt, denn wenn schon, hätte ich richtig Militär machen wollen. Heute lohnt es sich, zu überlegen, ob es in der Armee nicht Themen gibt, die für euch auch interessant sein könnten. Beispielsweise im Bereich Cyber, also mitzuhelfen, Angriffe abzuwehren, die auf elektronische Geräte und Computer gemacht werden.

Hanna: Ist es schwierig, Bundesrätin zu sein?
Was soll ich sagen? Es ist sehr interessant, man kann eigene Ideen einbringen und helfen, gute Lösungen zu finden. Das ist nicht immer einfach. Es ist immer sehr viel Arbeit, und ich habe fast nie mehr frei.

Hanna: Haben Sie Angst vor Krieg?
Die Bilder, die wir sehen, belasten mich sehr.

Serafin: Hat Sport etwas mit Frieden zu tun?
Manchmal hat man Vorurteile, denkt: «Hm, das ist aber eine Komische, oder das ist ein Eigenartiger.» Wenn man dann zusammen Sport treibt, lernt man sich kennen und stellt fest, dass man sich eigentlich mag. Im Sport kämpft man ja auch, gewinnt oder verliert und kann lernen, das zu akzeptieren.

Hanna: Kommendes Jahr sind Sie die Bundespräsidentin. Dürfen Sie dann mehr befehlen?
Befehlen kann ich in meinem Departement schon ziemlich viel. Am Anfang habe ich jeweils gesagt: «Könnte man es nicht so machen, oder wäre das nicht auch eine interessante Lösung?» Es hiess dann manchmal «Ja, ja», aber es ging nicht vorwärts. Ich habe gelernt, dass ich klar sagen muss, was ich meine. Wichtiger, als zu befehlen, ist es aber, gemeinsam Lösungen zu finden. Das gilt auch für den Bundesrat, da muss man als Präsidentin den Ausgleich finden, wenns mal nicht gut läuft.

Das Interview entstand im Rahmen der Strecke «100 Stimmen für den Frieden» in der Schweizer Illustrierten Nr. 49 vom 8. Dezember 2023.

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