Bundesrätin Sommaruga ruft dazu auf, potenzielle Terroristen früh zu melden. BLICK fragte Experten, worauf man denn achten sollte
Aufpassen, wenn jemand seinen Lieblingspullover verschenkt

Abschiedshandlungen sind ein Alarmzeichen: Wenn sich eine Person vom bisherigen Leben lossagt, sollen Eltern oder Lehrer laut Radikalisierungs-Experten Hilfe holen.
Publiziert: 25.03.2017 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:54 Uhr
Justizministerin Simonetta Sommaruga rät Bürgerinnen und Bürgern, aufmerksam zu sein und Radikalisierte früh zu melden. Laut Experten müssen Eltern oder Lehrer hellhörig werden, wenn jemand nicht mehr mit seinen Bezugspersonen spricht.
Foto: Philippe Rossier
Joël Widmer, Cinzia Venafro

Den Terroranschlag in London verübte ein Brite, er war als Adrian Russell Ajao geboren, nannte sich aber Khalid Masood. Ein Einheimischer. Da der Terrorismus auch für die Schweiz eine grosse Gefahr ist, will Justizministerin Simonetta Sommaruga hierzulande potenzielle Terroristen frühzeitig erfassen. Sie ruft daher Eltern und Lehrpersonen zur Wachsamkeit auf und arbeitet mit Kantonen und Gemeinden an einem Aktionsplan gegen Radikalisierung.

Ein Bart bedeutet noch gar nichts 

Doch wie erkennt ein Vater, dass sein Sohn zum Extremisten wird? Wie sieht ein Vorgesetzter, dass sein Mitarbeiter in den Dschihadismus abgleitet? Radikalisierungs-Experte Lothar Janssen schickt vorweg: «Ein wachsender Bart allein heisst noch gar nichts.» Jeder Verlauf einer Radikalisierung sei verschieden. Dennoch gibt es Anzeichen, auf die besorgte Bürger achten können. So stehe am Beginn einer Radikalisierung häufig eine persönliche Krise, so Janssen vom Institut für Gewalteinschätzung.

«Abschiedshandlungen sind Alarmzeichen: Wenn etwa jemand seinen Lieblingspullover verschenkt oder den Haarschnitt radikal ändert», sagt Radikalisierungs-Experte Lothar Janssen.

Hilfe sollte man laut Janssen suchen, wenn sich jemand immer mehr zurückzieht, sich von einem bisherigen Leben lossagt und nicht mehr mit seinen Bezugspersonen spricht. «Auch Abschiedshandlungen sind Alarmzeichen: Wenn etwa jemand seinen Lieblingspullover verschenkt oder den Haarschnitt radikal ändert.»

Und eine Radikalisierung könne sich auch durch vordergründig positive Anzeichen äussern: Wenn jemand aufhört mit Trinken, Rauchen oder Kiffen. Doch Janssen stellt klar: «Nicht jeder, der sich einsam fühlt, ist ein Salafist.»

Jeder Fall ist verschieden

Auch die Bundespolizei (Fedpol) betont, dass jeder Fall verschieden sei. Die Ermittlungen würden kein einheitliches Profil von Dschihadisten zeigen: Es gebe Konvertiten, Abkömmlinge stabiler Familien oder auch ungebildete Kleinkriminelle. «Allen Biografien gemeinsam ist jedoch ein Bruch, der die Radikalisierung ausgelöst oder beschleunigt hat», so eine Fedpol-Sprecherin.

Dieser Bruch zeige sich in Verhaltensänderungen: Die Personen ziehen sich zurück, zeigen starkes Interesse an radikalen Theorien, lehnen die Gesellschaft ab. Und solche Veränderungen würden eben als Erstes dem direkten Umfeld auffallen. Darum sollen sich besorgte Bürger an Fachstellen oder die Polizei wenden.

Auch Bauchgefühl ist wichtig

Dies rät auch Reinhard Brunner, Chef der Präventionsabteilung der Zürcher Kantonspolizei. Für eine mögliche Radikalisierung gebe es Anzeichen: «Jemand kleidet sich womöglich plötzlich anders, verweigert, die Hand zu geben, distanziert und isoliert sich, beginnt Gewaltakte zu legitimieren oder verfügt über Videos von Gewaltakten auf dem Handy.» Werde die Polizei informiert, könne diese dann die Situation beurteilen und allenfalls mit weiteren Stellen über das Vorgehen beraten.

Laut Psychologe Janssen solle man bei Fachstellen Hilfe holen, wenn man unsicher sei: «Grundsätzlich kann man aber auf sein Bauchgefühl achten.»

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