Die Vertrauenskrise zwischen dem Bund und den Kantonen geht in die nächste Runde. Nächste Woche kommt es im Corona-Chaos zum Krisengipfel zwischen den ranghöchsten Schweizer Corona-Politikern und den obersten Chefs der Kantonsregierungen, begleitet von ihren Präsidenten der Gesundheits- und Volkswirtschaftsdirektoren. Das berichtet die «SonntagsZeitung».
Der föderalistische Flickenteppich der Corona-Massnahmen hat zu reglementarischem Wirrwarr und Unmut geführt. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen ist in diesen Tagen von Streit und gegenseitigem Misstrauen geprägt. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60) liege an einem engen Austausch und guter Koordination mit den Kantonen, sagte ihre Sprecherin Annetta Bundi auf Anfrage.
Die Förderung der Zusammenarbeit, so Bundi, werde von allen Seiten begrüsst. Flankiert von Gesundheitsminister Alain Berset (48) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60), stehen zuoberst auf der Agenda allgemein akzeptierte Bedingungen für die Bewilligung von Grossveranstaltungen. Das Wichtigste scheine, einen zweiten Lockdown zu verhindern, der Menschen und die Wirtschaft härter treffen würde als der erste.
Dank Hygienemassnahmen sind Schweizer weniger krank
Insgesamt scheint die Schweiz die Viruskrise glimpflich zu überstehen. Aus einer breiten Datenanalyse geht hervor, dass die Sterblichkeit in der Schweiz seit Ausbruch der Corona-Pandemie kaum vom Durchschnitt der letzten fünf Jahre abweiche. Die Grenzkantone Waadt, Genf und Tessin haben zwar zeitweise wöchentlich bis zu doppelt so hohe Sterblichkeitsraten wie in normalen Zeiten verzeichnet. Mit den knapp 2000 tödlichen Covid-19-Fällen im ersten Halbjahr weist die Schweiz dennoch keine Übersterblichkeit auf.
Dies sei, wie die «SonntagsZeitung» berichtet, nicht ausschliesslich den ergriffenen Corona-Massnahmen zu verdanken. Die Übersterblichkeit in den betroffenen Kantonen wurde durch Untersterblichkeit in anderen Regionen kompensiert. «Wegen des Shutdowns könnte es zu etwas weniger Strassen-, Ski- und Bergunfällen gekommen sein», sagt Antoine Flahault, Direktor des Instituts für globale Gesundheit an der Universität Genf.
Auch sei es wegen der Hygiene- und Distanzregeln zu weniger Ansteckungen mit anderen Krankheiten gekommen. Die Bevölkerung profitiert demnach in ihrer Gesamtheit von den Hygienemassnahmen. So liegen auch die Grippezahlen im Vergleich zu den letzten Jahren extrem tief.
Meldepflicht: Ärzten drohen Bussen
Doch bezüglich Datenbeschaffung herrscht weiterhin Verbesserungsbedarf. Das Zusammentragen der Daten erschwert nicht nur, dass Menschen sowohl an Covid-19 sowie mit Covid-19 sterben können. Viele Fälle werden dem Bund auch nicht korrekt gemeldet. Laut der «NZZ am Sonntag» sei das Datenchaos auch auf Ärzte zurückzuführen. Demnach liegt nicht einmal für jede zweite Neuansteckung eine ärztliche Meldung vor.
Das mag auch am umständlichen Meldeverfahren liegen. Jeder Corona-Fall muss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zweifach gemeldet werden: erst durch das Labor und dann durch den behandelnden Arzt. Vielen Ärzten sei die Bedeutung der Meldepflicht offenbar nicht bewusst. Das BAG habe die Ärzteschaft wiederholt an die Deklarationspflicht erinnern müssen.
Gemäss Epidemiengesetz können fehlbare Ärzte mit einer Busse von bis zu 5000 Franken belangt werden. An einer Eskalation der Situation sei niemand interessiert, doch der Bund nimmt die Ärzte in die Pflicht. Demnach werden die Kantonsärzte nächste Woche aufgefordert, alle seit dem 20. Juli ausstehenden Formulare einzufordern und nachzuliefern. (kes)