Doris Leuthard lacht: «Ui, da wird es mir grad ein bisschen schwindlig», sagt die Bundespräsidentin, während sie sich ein von BLICK produziertes Virtual-Reality-Video der Eigerbesteigung anschaut. Dank der 3D-Brille hängt sie virtuell selber mitten in der Felswand.
Gewohnt ist sie sich solche Videos nicht. Sie gehört mit ihren 54 Jahren nicht zur Generation der «Digital Natives», die von klein auf an Handy und Tablet gewöhnt sind. Und doch möchte sie die Schweiz fit machen fürs digitale Zeitalter. Unter ihrem Patronat fand gestern der von Digitalswitzerland organisierte Digitaltag statt.
Singapur ist Digital-Weltmeister
«Wir zünden hier die Digital-Rakete Schweiz», sagt die Kommunikationsministerin in ihrer Eröffnungsrede. Es mache Lust, wenn man erfahre, was die Digitalisierung für Chancen biete. «Lassen Sie sich inspirieren!», rief sie den vielen Besuchern im Hauptbahnhof Zürich zu, dem Herzstück des Digitaltages.
Schlecht steht die Schweiz bei der Transformation ins computerbasierte Zeitalter nicht da. Im aktuellsten «World Competitiveness Ranking» des IMD World Competitiveness Center belegte sie Platz 8. Das weltweit digitalste Land ist Singapur, gefolgt von Schweden, den USA, Finnland, Dänemark, Holland und Hongkong.
Leuthard will jetzt aufholen. «Wir wollen in die Top 5», sagte sie während der Zugfahrt von Bern nach Zürich, bei der sie von zahlreichen Firmenchefs begleitet wurde.
Leuthard absolvierte fast computerfreie Schulzeit
Auch der Bund sei gefordert. Bei Fragen der elektronischen ID oder bei E-Government sei man nicht dort, wo man sein sollte: «Es ist die Aufgabe des Staates, in die Weiterbildung zu investieren. So können Ängste genommen werden.»
Zum ersten Mal in Kontakt mit Computern kam Leuthard am Ende des Gymnasiums. «Ein Freund bekam damals einen kleinen Apple-Computer geschenkt. Ich war furchtbar eifersüchtig», schmunzelt sie. Sie schrieb dann aber ihre Matur-Arbeit auf diesem Gerät.
Seither wurde ihr Privat- und Berufsleben immer digitaler. «Ich lese Zeitungen auf dem Tablet, kaufe im Internet ein – und wenn ich mal Ferien buche, dann mache ich dies auch online», erzählt die laut Umfragen beliebteste Magistratin. All dies erleichtere das Leben. Auch fährt die Verkehrsministerin ein Auto der Zukunft – einen Tesla.
Ein Staubsauger-Roboter zu Weihnachten?
Weitere ausgefallene Gadgets besitze sie aber nicht – noch nicht. «Einen Staubsauger-Roboter finde ich sehr praktisch, vielleicht bekomme ich ja einen zu Weihnachten», sagt sie lachend – um dann zuzugeben, dass sie ab und an in der digitalen Welt an ihre Grenzen stösst. «Wenn ich ein neues Smartphone bekomme, lasse ich es mir von jüngeren Kollegen erklären.»
Doch beim Rundgang durch die digitale Welt im HB Zürich macht die amtsälteste Bundesrätin eine durchaus gute User-Figur: Bei einer Animation der Verkehrsströme durch die Schweiz erriet die Magistratin die tägliche Anzahl Pendler ihres Wohnorts Merenschwand AG in den Kanton Bern exakt richtig – es sind zehn Personen.
Ein Sporttest ergab wenig später, dass Leuthard ein «Geniesser-Typ» sei. Sport müsse bei ihr Spass machen, Überwindung und Zwang suche man bei der Bundesrätin vergebens, so der Computer – der gleich noch einen gut gemeinten Tipp abgab: «Probieren Sie mit Freunden auch mal neue Sportarten aus, wie zum Beispiel ein Bootcamp.»
Computer «beleidigt» Leuthards Kleidung
Die Magistratin lässt sich auch erklären, wie Vielflieger via SMS ein Flugticket buchen, wie Rangierarbeiter einfacher mit Lokführern kommunizieren und wie ein virtueller Assistent hilft, eine Reise so gut wie möglich zu gestalten.
Letzteres legte die Tücken der Technik schonungslos offen: «Sorry, mit so einem Outfit kannst du nicht an eine Sitzung», wirft der virtuelle Assistent der ganz in Schwarz und gewohnt gestylt gekleideten Magistratin an den Kopf.
Die reagiert, wie es nur Menschen, niemals aber Maschinen können. Sie quittiert die digitale Anmassung mit ihrem typischen herzlichen Leuthard-Lachen – und macht sich bald darauf wieder auf den Weg nach Bern, um die Bundesratssitzung vorzubereiten.
Die finden bekanntlich im traditionsreichen Bundesratszimmer statt – völlig computer- und handyfrei.