Um 13.56 Uhr braucht Simonetta Sommaruga (59) frische Luft. Auch wenn erst Mittag ist, der Tag der Bundespräsidentin war bereits lang und anstrengend. Also lässt sie kurzerhand die Limousine vor dem House of Switzerland stehen und geht zu Fuss zum nächsten Termin.
Was am WEF einen Schuhwechsel bedeutet – mit den eleganten schwarzen Pumps käme sie auf dem Davoser Schnee-Eis-Gemisch keine drei Meter weit. Also rein in die Stiefel – und nachher wieder raus. Umständlich, aber ein bisschen Sonne tut gut, auch wenn es nur für sieben Minuten ist.
Kein Wort zu Schwab, keine Werbung für die Schweiz
Gut drei Stunden zuvor: Um 10.45 Uhr betritt Sommaruga die WEF-Bühne. Und wie! In einem leuchtend roten Kleid hebt sie sich von den Hunderten dunkelblauen Anzügen im Saal ab. Doch um Glamour geht es der Bernerin nicht.
Rot ist trotzdem gut gewählt – nur steht die Farbe in diesem Fall für die Parteimitgliedschaft der Sozialistin Sommaruga. Anders als die Bundespräsidenten vor ihr dankt sie in der traditionellen WEF-Ansprache nicht etwa Klaus Schwab (81) für sein Lebenswerk, das die Schweiz einmal im Jahr ins Rampenlicht der Welt rückt. Nicht einmal kommt «Switzerland» in ihrer Rede vor.
Kritik an der Rede bleibt nicht aus
Sommaruga nutzt die Weltöffentlichkeit, um den Staatschefs und Topmanagern ins Gewissen zu reden. «Die Welt steht in Flammen» – mit diesem Zitat der 17-jährigen schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg (und des 70-jährigen Uno-Generalsekretärs António Guterres) beginnt Sommaruga ihre Ansprache. Und zeigt dann einen Ausschnitt aus der Dokumentation «More than Honey» über das Bienensterben.
Das Signal ist klar: Sommaruga versteht sich heute nicht als Magistratin – sie hat ein Lager gewählt. Das führt zu Kritik – zu aktivistisch sei die Rede gewesen, zu wenig Staatsfrau, heisst es im Saal.
Tadelloses Englisch
Sommaruga will das im Gespräch mit BLICK so nicht gelten lassen: Klaus Schwab habe sie zwei andere Reden am WEF gewidmet – und Davos selbst sei die ideale Werbung für die Schweiz. Sie habe ihre Rede daher bewusst einem drängenden Thema gewidmet. «Ich wollte aufrütteln.»
Auch gesagt wird: Für einmal müsse man sich als Schweizer nicht schämen – Sommaruga brilliert mit tadellosem Englisch. Nicht nur auf der grossen Bühne, sondern auch am Nachmittag, als sie eine Veranstaltung eröffnet.
Viel Zeit für Vorbereitung
Wie immer ist sie gut vorbereitet. Nichts wird dem Zufall überlassen. Auch wenn sie hin und her geschoben wird. Termine werden kurzfristig vertagt und an andere Orte verlegt. WEF eben. Und doch muss sie immer auf den Punkt präsent sein.
Viel Zeit an diesem WEF-Dienstag geht daher für Vorbereitung drauf. Vorbereitung auf die Rede. Vorbereitung für ein kurzes Höflichkeitsmeeting mit dem chinesischen Vize-Premier Han Zheng (65). Und vor allem: Vorbereitung auf das Treffen mit US-Präsident Donald Trump (73).
Das Trump-Treffen läuft gut – zum Glück
Und das – so ist zu befürchten – könnte schwierig werden. Wer beide Reden am Morgen gehört hat, weiss: Zwischen Trump und Sommaruga liegt ideologisch ein Ozean. Die Anspannung war der Bundespräsidentin denn auch den ganzen Tag anzumerken.
Doch das Treffen verläuft in Minne: Später an der Pressekonferenz wird Sommaruga von «einem guten Klima» sprechen, von einer «offenen Atmosphäre» und «gegenseitigem Interesse». Trump dankte der Schweiz für ihre guten Dienste im Iran, sprach dem Bundesrat sein Vertrauen aus – und stellte gar ein Freihandelsabkommen in Aussicht. Good News also!
Im Laufe der Medienkonferenz fällt dann auch der Druck von Sommaruga ab. Sie ist wieder zu Spässen aufgelegt, entspannt sich zusehends. Ihr wichtigster Tag am WEF ist (fast) geschafft. Am Abend gibt es noch ein grosses Dinner. Da wird sie Klaus Schwab dann danken.
Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.
Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.