• Am Mittwochabend zirkulieren erste Gerüchte, Bundespräsident Ignazio Cassis (61) würde am Donnerstag in der Ukraine sein.
• Kurz vor 8 Uhr trifft der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) tatsächlich in Kiew ein. Cassis war im Nachtzug aus Polen angereist.
• Er ist nicht allein. Mit dabei sind: Ständerat Mathias Zopfi (38, Grüne/GL), Nationalrätin Marianne Binder-Keller (64, Mitte/AG), Deza-Direktorin Patricia Danzi (53), Botschafter Dominique Paravicini (55), Delegierter des Bundesrats für Handelsverträge. Der Schweizer Botschafter in der Ukraine, Claude Wild (58), begrüsst den Bundespräsidenten am Bahnhof. Cassis twittert ein Bild vom Bahnhof.
• Deutschen Medien fällt das Bild auf – ihr Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (66) hatte seine geplante Reise in die Ukraine «aus Sicherheitsgründen» abgesagt. «Bild» zeigt Cassis in Kiew und titelt hämisch: «Herr Steinmeier, schauen Sie mal! Hier besucht ein Bundespräsident die Ukraine.»
• Vom Bahnhof fährt Cassis ins Hotel Intercontinental von Kiew. Laut «Tages-Anzeiger» begleitet ihn die Elitetruppe des Schweizer Aufklärungsdetachements AAD 10.
• Die Spezialkräfte fahren Cassis in das Dorf Borodianka, das eineinhalb Fahrstunden von Kiew entfernt liegt. Hier richteten russische Soldaten im vergangenen Winter mit Panzern und Artilleriegeschossen grosse Zerstörung an und töteten zahlreiche Ukrainerinnen und Ukrainer.
• Kurz nach 11 Uhr trifft sich Bundespräsident Cassis mit dem Appenzeller Unternehmer Martin Huber (66). Huber hat in der Schweiz ein Holzhaus entwickelt, das er in seiner ukrainischen Fabrik in Serie bauen lässt – und obdachlosen ukrainische Familien abgibt. Bisher hat er sieben Häuser ausliefern können. «Der Bundespräsident war begeistert von unserem Projekt», sagt Huber am Telefon. «Cassis hat mir gesagt, Geld sei kein Problem.» Nun hofft Huber auf finanzielle Unterstützung des Bundes. Bis Weihnachten will er zwanzig weitere Häuser fabrizieren. Erhalten sollen sie Familien, deren Daheim russische Soldaten zerstört haben.
• Gegen Mittag besucht Bundesrat Cassis eine Schule für Kinder mit Beeinträchtigungen, die von den Russen zerstört worden war. Er sei «entsetzt über den Angriffskrieg gegen die zivile Infrastruktur und bewegt von der Widerstandsfähigkeit der Ukraine und ihrer Bürger in Borodianka und Iwankiw», schreibt er auf Twitter. Damit die Menschen den Winter überstehen könnten, brauche es die humanitäre Hilfe der Schweiz.
• Deutsche Medien loben Cassis für seinen Mut, in die Ukraine zu fahren – und berichten über die «Angsthasen-Absage» Steinmeiers.
• Nach einer kurzen Pause im Hotel Intercontinental lässt sich Cassis am Nachmittag in den Marienpalast von Kiew fahren, in die zeremonielle Residenz von Präsident Wolodimir Selenski (44).
• Der Schweizer Aussenminister verbringt über zwei Stunden im Palast. Zuerst kommt es zu einem Zweiergespräch zwischen Bundespräsident Cassis und Präsident Selenski. Danach treffen sich Cassis und Selenski mit ihren Delegationen zu einem weiteren Gespräch, wieder dabei sind Danzi, Wild, Binder-Keller und Zopfi. «Während meines Treffens mit Präsident Selenksi habe ich meine Unterstützung für das ukrainische Volk zum Ausdruck gebracht», schreibt Cassis auf Twitter. «Wir sprachen über humanitäre Bedürfnisse und Schweizer Hilfe für die Ukraine auf bilateraler und multilateraler Ebene.»
• Es kommt zu einem Treffen mit dem ukrainischen Aussenminister Dmytro Kuleba (41).
• Danach fährt Cassis zum St. Michaelskloster, dem Sitz der Orthodoxen Kirche der Ukraine. Zusammen mit dem ukrainischen Premierminister Denys Schmyhal (47) nimmt er an einer Zeremonie an der Erinnerungswand für die Gefallen der Ukraine teil.
• Ursprünglich war geplant, dass Cassis eine Nacht in Kiew verbringen und am Freitag die ukrainische Stadt Winnyzia besuchen würde. Dieser Besuch wurde kurzfristig gestrichen.
• Stattdessen besteigt Cassis am Donnerstagabend einen Zug, der ihn in die Republik Moldau bringen sollen. In der Hauptstadt Chișinău ist am Freitag ein Treffen mit Präsidentin Maia Sandu (50) geplant.