Die Affäre Maudet ist noch nicht ausgestanden: Das Bundesgericht hat eine Beschwerde der Genfer Staatsanwaltschaft teilweise gutgeheissen und weist die Sache zurück ans Kantonsgericht. In Bezug auf die Reise nach Abu Dhabi hebt es die Freisprüche des ehemaligen Genfer Staatsrats Pierre Maudet (44) und seinem ehemaligen Stabschef Patrick Baud-Lavigne vom Vorwurf der Vorteilsannahme auf.
Gemäss Bundesgericht kann dem Kantonsgericht nicht gefolgt werden, wenn es davon ausgeht, dass sich eine unrechtmässige Vorteilsgewährung und eine unrechtmässige Vorteilsannahme durch öffentliche Bedienstete immer gegenseitig bedingen. Vielmehr könne das Verhalten der Person, die den Vorteil gewähre und derjenigen, die ihn annehme, je für sich allein strafbar sein.
Maudet und Baud-Lavigne seien sich bewusst gewesen, dass ihnen der gewährte Vorteil nicht gebühre. Zudem hätten sie sich damit abgefunden, aufgrund ihrer amtlichen Funktionen davon profitiert zu haben. Damit hätten sie sich der Vorteilsannahme schuldig gemacht, argumentiert das Bundesgericht.
Auch Organisatoren haben sich strafbar gemacht
Das oberste Gericht hob auch die Freisprüche der Genfer Unternehmer Magid Khoury und Antoine Daher vom Vorwurf der Vorteilsgewährung auf, welche die Reise organisiert hatten. Dagegen bestätigten die Richter die Freisprüche der Betroffenen in Bezug auf die Finanzierung einer Umfrage. Die Umfrage drehte sich um die Anliegen der Genfer Bevölkerung und habe mutmasslich den Interessen Maudets dienen sollen.
Maudet war Anfang Januar 2022 vom Genfer Kantonsgericht freigesprochen worden. Dieses sah den Tatbestand der Vorteilsannahme als nicht erfüllt an. Die Genfer Staatsanwaltschaft hatte eine bedingte Freiheitsstrafe von 14 Monaten für Maudet gefordert.
Kosten von 50'000 Franken
Der ehemalige Staatsrat reiste im November 2015 mit seiner Familie, seinem damaligen Stabschef Baud-Lavigne sowie den beiden Genfer Geschäftsleuten Khoury und Daher nach Abu Dhabi, um den Grand Prix der Formel 1 anzuschauen. Diese Reise, deren Kosten auf 50'000 Franken geschätzt werden, wurde von der Königsfamilie von Abu Dhabi bezahlt.
Das erstinstanzliche Genfer Polizeigericht verurteilte den ehemaligen FDP-Politiker im Februar 2021 wegen Vorteilsannahme im Zusammenhang mit der Reise zu einer bedingten Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu 400 Franken. Zudem musste Maudet dem Staat Genf 50'000 Franken als Entschädigung zurückzahlen.
Ungünstiger Zeitpunkt
Das Urteil kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt: Der heute in der Privatwirtschaft tätige Maudet will zurück in die Politik. Ende September hatte er angekündigt, bei den nächsten Wahlen im April 2023 erneut für einen Sitz in der Kantonsregierung zu kandidieren.
Im März 2021 schien Maudets politische Karriere – zumindest vorerst – beendet zu sein. In einer Ersatzwahl für seine eigene Nachfolge nach seinem Rücktritt unterlag er mit 9000 Stimmen Rückstand klar der Grünen Fabienne Fischer. Nach seinem Rausschmiss aus der FDP hatte er als Unabhängiger kandidiert.
Der Berufspolitiker galt über Jahre hinweg als Hoffnungsträger der Freisinnigen in der Romandie. Bereits im Alter von 34 Jahren wählte ihn das Stimmvolk in den Genfer Staatsrat. Im September 2017 kandierte er sogar für den Bundesrat, zog allerdings gegen Ignazio Cassis (61) den Kürzeren. (SDA/sf)