Darum kommt die Heiratsstrafe nicht zwingend erneut vors Volk
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Trotz falschen Zahlen:Heiratsstrafe kommt nicht zwingend erneut vors Volk

Bundesgericht annullierte Abstimmung zur Abschaffung der Heiratsstrafe
Bundesrat ebnet CVP Weg zum Rückzug ihrer Initiative

Der Bundesrat ebnet der CVP den Weg, um ihre Heiratsstrafe-Initiative mit der umstrittenen Ehedefinition zurückzuziehen. Die Steuergerechtigkeit soll über den parlamentarischen Weg endlich erreicht werden.
Publiziert: 21.06.2019 um 14:30 Uhr
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Aktualisiert: 21.06.2019 um 16:37 Uhr
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Bundskanzler Walter Thurnherr erklärt, wie es mit der Heiratsstrafe-Initiative weitergeht.
Foto: Keystone
Nico Menzato

Das gabs noch nie: Das Bundesgericht hat das knappe Volks-Nein bei der CVP-Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe annulliert. Das war Mitte April dieses Jahres. Grund: Die Zahlen der Bundesverwaltung zur Anzahl der bestraften Ehepaare waren total falsch.

Seither stand die Frage im Raum, ob die Vorlage nochmals eins zu eins – und unter Berücksichtigung der korrekten Zahlen – an die Urne kommt. Oder ob sie im Parlament beraten wird. Letzteres wünschte die CVP. Damit sie die umstrittene Ehedefinition in der Initiative tilgen kann, welche homosexuelle Paare explizit ausschliesst. Schliesslich unterstützt die Mittepartei mittlerweile die Öffnung der Ehe auch für Homosexuelle.

Zwei Berechnungen, tieferer Betrag bezahlen

Und tatsächlich: Der Bundesrat ebnet der CVP den Weg, um ihre Initiative zurückzuziehen. Sie wird nicht direkt wiederholt, sondern geht zuerst nochmals ins Parlament, wie Bundeskanzler Walter Thurnherr (55, CVP) erläuterte. Konkret: Die Regierung ist bereit, die Anliegen der CVP-Initiative beim eigenen Vorschlag, wie die Heiratsstrafe abgeschafft werden soll, zu thematisieren. «Diese Zusatzbotschaft ermöglicht es dem Parlament, auf die Anliegen der Volksinitiative einzugehen und einen Gegenvorschlag zu erarbeiten», so Thurnherr.

Denn der Bundesrat will eigentlich das Gleiche wie die CVP – nur der Weg dorthin unterscheidet sich: Die Regierung schlägt vor, dass die Steuerbehörden bei Ehepaaren zwei Berechnungen anstellen: eine gemeinsame Veranlagung und eine auf der Basis von Konkubinats-Paaren. Bezahlen müssten Ehepaare den tieferen Betrag.

Mögliche Abstimmung im Herbst 2020

Die Beratung dieses Geschäfts ist wegen des Bundesgerichtsurteils sistiert. Nach den Sommerferien soll es damit zügig vorwärts gehen. Einigt sich das Parlament auf Lösungen, die auch die CVP zufrieden stellen, muss sie ihre Initiative bis spätestens Ende Mai zurückziehen. Tut sie es nicht, findet der Urnengang zur ursprünglichen Vorlage, inklusive Ehedefinition, am 27. September 2020 statt.

Eine direkte Wiederholung der Abstimmung war für den Bundesrat keine Option. Weil das Parlament den klaren Wunsch geäussert habe, nochmals einbezogen zu werden, so der CVP-Bundeskanzler. Zur Freude von CVP-Präsident Gerhard Pfister (56): «Der Entscheid bestätigt die Haltung der CVP, wonach nicht nur das Volk, sondern auch das Parlament mit neuen und korrekten Zahlen über die Heiratsstrafe befinden soll.»

Zahlen sollen weniger fehlerhaft sein

Der Bundesrat versprach zudem Besserung bezüglich falschen Informationen vor Abstimmungen. So werden Departemente und Ämter verpflichtet, bei Daten deren Quelle, Schätzmethode, Aussagekraft und Aktualisierungszeitpunkte transparenter darzulegen.

«Wir wollen bei jeder Zahl wissen, woher sie kommt», so der Bundeskanzler. Eine hundertprozentige Sicherheit, dass alle Angaben richtig seien, gebe es aber auch in Zukunft nicht. «Eine vollkommene Sachlichkeit gibt es nur in der Mathematik, aber sicher nicht in diesem Haus», so der studierte Physiker und passionierte Mathematiker.

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